Polizei geht von Anschlag aus:Lkw rast in Berliner Weihnachtsmarkt

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Mindestens zwölf Menschen sterben, etwa 50 werden verletzt, mehrere davon schwer. Die Polizei spricht von einem Anschlag und nimmt den mutmaßlichen Fahrer fest. Bundeskanzlerin Merkel telefoniert mit Bürgermeister Müller.

Von Verena Mayer und Jens Schneider, Berlin

Ein Lastwagen ist am Montagabend in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gerast. Die Berliner Polizei spricht von einer vorsätzlichen Tat, es handle sich vermutlich um einen terroristischen Anschlag. Mindestens zwölf Menschen starben, 50 wurden nach Angaben der Berliner Feuerwehr verletzt, viele von ihnen schwer.

Gegen 20.15 Uhr fuhr der schwarze Lkw Augenzeugenberichten zufolge zunächst auf der Budapester Straße am Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz unweit des Bahnhofs Zoo entlang. Dann sei der Lastwagen auf den Markt gerast und 50 bis 80 Meter "schneisenartig" zwischen den Ständen hindurchgepflügt, sagte ein Polizeisprecher. Die Szenerie war nach dem Unglück bestimmt von Blaulicht, Polizei und Rettungskräften. An einigen Holzbuden waren Beschädigungen zu sehen, die Weihnachtsbeleuchtung war teilweise heruntergerissen.

Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich betroffen über das "schreckliche Geschehen" auf dem Weihnachtsmarkt. "Das ist ein schlimmer Abend für Berlin und unser Land, der mich wie zahllose Menschen sehr bestürzt", sagte Gauck. Der Sattelschlepper, der offenbar nach seiner Fahrt über den Weihnachtsmarkt zurück an die Straße gefahren und dort zum Stehen gekommen war, hatte ein polnisches Kennzeichen. Auf Bildern war eine zerstörte Frontscheibe zu sehen, in der Tannenzweige hingen. In der Fahrerkabine saßen der Polizei zufolge zwei Personen. Der Fahrer flüchtete zunächst Richtung Tiergarten. Später wurde er von der Polizei gefasst.

Auch am Dienstagmorgen gab es noch kaum Informationen über den Mann; Aufschluss soll eine Pressekonferenz der Berliner Staatsanwaltschaft am Mittag bringen. Nach Medienberichten soll es sich um einen Afghanen oder Pakistaner handeln, der mehrere Identitäten genutzt haben soll. Im Feburar soll er über die Balkanroute nach Deutschland gekommen sein, danach in einem Berliner Flüchtlingsheim gelebt haben. Er wurde die ganze Nacht verhört. Die Generalbundesanwalt in Karlsruhe übernahm die Ermittlungen.​

Tatort Breitscheidplatz in Charlottenburg: Der Lastwagen erfasste laut Polizei im Bereich Kantstraße Ecke Budapester Straße die Passanten. (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Der Lastwagen gehört einer polnischen Spedition, wie deren Eigentümer Ariel Zurawski dem polnischen Sender TVN 24 sagte. Sein Cousin habe diesen gefahren. Nach Aussage des polnischen Spediteurs habe er seit 16 Uhr keinen Kontakt mehr zum Fahrer gehabt. Er vermute, dass der Lkw entführt worden sei, sagte der Spediteur dem polnischen Fernsehen.

Die Polizei geht von einem Terroranschlag aus, mahnt aber, dass Details noch unklar seien. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte: "Wir sind in Gedanken bei den Familien." Das Universitätsklinikum Charité sei vorbereitet zur Aufnahme der vielen Verletzten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich bestürzt. "Wir trauern um die Toten und hoffen, dass den vielen Verletzten geholfen werden kann", twitterte Regierungssprecher Steffen Seibert. Merkel sei mit de Maizière und Müller in engem Kontakt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte: "Wir wissen noch nicht mit Gewissheit, was heute Abend wirklich geschehen ist. Die Sicherheitsbehörden arbeiten mit Hochdruck daran, die Unglücksstelle zu sichern und die Täter zu finden." De Maizière bot Unterstützung durch die Bundespolizei an. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) kündigte an, der Generalbundesanwalt werde die Ermittlungen übernehmen.

Die Ereignisse wecken Erinnerungen an den 14. Juli 2016. In Nizza war ein Mann während der Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertag mit einem LKW in eine Menschenmenge gerast und hatte 86 Menschen getötet. Der Fahrer war von der Polizei erschossen worden. Später reklamierte die Terrormiliz Islamischer Staat die Tat für sich. Auch Deutschland wurde in diesem Jahr vom Terrorismus heimgesucht. Im Juli attackierte ein Afghane in einem Zug bei Würzburg mehrere Menschen mit einer Axt. Wenige Tage später sprengte sich in Ansbach ein Syrer in der Nähe eines Biergartens in die Luft.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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