Berlin:"Ich wünsche mir Druck"

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Was die Frau des in Saudi-Arabien inhaftierten Bloggers Raif Badawi zu sagen hat.

Von Katrin Langhans

Ein- bis zweimal in der Woche kommt ein Anruf, Ensaf Haidar weiß nie wann. Sie weiß auch nicht, wie viel Zeit sie hat, um mit ihrem Mann Raif Badawi zu reden. Eines aber spürt sie: Es geht ihm nicht gut.

Haidars Arabisch klingt sehr weich und sehr leise, wenn sie vom gesundheitlichen Zustand ihres Mannes spricht. Ganz anders färbt sich ihre Stimme, wenn sie von seinem politischen Engagement redet. Von dem Blog, auf dem sich Badawi bis vor wenigen Jahren noch für Meinungsfreiheit in Saudi-Arabien einsetzte, wofür er im Mai 2014 verurteilt wurde - und wofür ihm gerade das Europaparlament den Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit zuerkannte. Dann klingt Haidars Stimme sehr hart. Zehn Jahre lang muss Badawi in Haft sitzen, 1000 Peitschenhiebe ertragen. Im Januar erlitt er die ersten 50 Schläge, die übrigen 950 wurden bisher ausgesetzt, weil sein Gesundheitszustand sehr schlecht ist.

Haidar weiß nicht, wie lange ihr Mannvon den Hieben verschont bleibt. Sie hofft, dass König Salman das Urteil aufhebt. "Ich wünsche mir von den Regierungen Druck auf das Regime", sagte Haidar am Donnerstagabend in Berlin, wo sie auf Einladung von Bündnis90/Die Grünen war. Ihr sei es wichtig, dass der Fall Badawi "von den Regierungen" immer wieder bei Staatsbesuchen thematisiert werde. Haidar vermied es, konkrete Wünsche an Deutschland zu richten.

Die Bundesregierung erlaubt Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Allein im Januar hatte das Wirtschaftsministerium eine Ausfuhr von Rüstungsgütern für 110 Millionen Euro genehmigt, trotz der Menschenrechtsverletzungen im Land.

Haidar hat Badawi zuletzt vor seiner Verhaftung vor drei Jahren gesehen. Sie lebt mit den drei Kindern Neduscha, Dodi und Miriam in Kanada. Seine Stimme hört sie nur am Telefon. "Badawi spricht nicht mit mir über seine Gesundheit. Er will mich und die Kinder nicht belasten." Aber sie spüre sein Leid an der Art wie er rede, am Klang seiner Stimme.

Die Erinnerungen an die gemeinsame Zeit und an das Engagement ihres Mannes für mehr Toleranz in Saudi-Arabien hat sie mit der Journalistin Andrea Hoffmann in einem Buch festgehalten: "Freiheit für Raif Badawi, die Liebe meines Lebens". Darin steht auch, dass Haidars Eltern sich von ihr abgewandt und die Zwangsscheidung beantragt haben. Den Kampf um ihren Mann führt Haidar ohne ihre Familie - aber mit Unterstützung der Öffentlichkeit.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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