Berlin:Häuserkampf

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Aktivisten kletterten auf den „Molecule Man“ in der Spree. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Die linksautonome Szene liefert sich heftige Schlachten mit der Polizei um zwei Wohnprojekte. Im kommenden Jahr wird in Berlin ein neuer Senat gewählt und der Streit um die Häuser gehört zu den Dauerthemen der Regierungskoalition.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Es war der zwar illegale, aber spektakuläre Endpunkt eines turbulenten Wochenendes im Berliner Häuserkampf: Am Dienstagmorgen wurde eine Figur des Molecule Man besetzt, einer etwa 30 Meter hohen Skulptur in der Spree. Die acht Aktivisten waren mit professionellen Kletterutensilien ausgerüstet, einer der drei Figuren zogen sie eine regenbogenfarbene Sturmhaube auf, an der anderen wurde ein Transparent angebracht, "L34 stays - Wohnraum ist keine Ware". Nach rund sechs Stunden kletterten die Besetzer wieder herunter und stellten sich der Polizei.

So friedlich verlief es in den vergangenen Tagen im Streit um Berlins Zentren der Linken nicht. L34 ist das Kürzel für das Haus in der Liebigstraße 34 im Bezirk Friedrichshain, einem "anarcha-queer-feministischen" Wohnprojekt. Nachdem der Mietvertrag seit mehr als einem Jahr abgelaufen war, hatte das Landgericht Berlin Anfang Juni den Weg für eine Räumung frei gemacht. Wegen der erwarteten Proteste tagten die Richter in dem besonders gesicherten Kriminalgericht in Moabit. Das L34 gilt als eines der Zentren der linksautonomen Szene der Stadt - so wie die Rigaer Straße 94 gleich um die Ecke.

200 Polizisten hatten Ende vergangener Woche in der Rigaer Straße 94 eine Razzia unternommen, in der Nacht zum Sonntag randalierten rund 40 Menschen in Friedrichshain. Mindestens 19 Autos wurden beschädigt, manche wurden abgefackelt und Schaufenster zertrümmert. Häuserwände und Autos waren zudem mit Parolen der linken Hausprojekte beschmiert, darunter die Kürzel "L34" und "R94". Auch das Büro des Innenpolitikers der SPD, Tom Schreiber, eines Hardliners gegen die Linksextremen, wurde attackiert. Dazu hatten die Randalierer auf Twitter eine Drohung verfasst: "Die Polizeiführung und der Innensenat entscheiden, ob sie ein politisches Desaster ansteuern."

In Berlin wird im kommenden Jahr ein neuer Senat gewählt, und die Rigaer Straße gehört zu den Dauerthemen der Berliner Regierungskoalition aus SPD, Linken und Grünen. Das massiv verbarrikadierte Gebäude ist eines der letzten verbliebenen Besetzungsprojekte aus den Nachwendejahren. Immer wieder lieferten sich Hausbewohner und Polizei, darunter auch das SEK, heftige Schlachten, bei denen Beamte verletzt wurden. Im Sommer 2016 räumten Bauarbeiter mit der Unterstützung von 300 Polizisten Teile des Hauses, einen Monat später erklärte das Berliner Landgericht dieses Vorgehen jedoch für rechtswidrig. Denn die Bewohner hatten einst reguläre Mietverträge geschlossen, zudem ist der Eigentümer des Hauses nicht ausfindig zu machen. Das Haus gehört formal einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln, deren Eigner offenbar den Kontakt mit dem Senat meiden. Innenpolitiker Schreiber sieht so kaum Chancen für eine schnelle Lösung. "Meine Prognose: Über die nächsten fünf Jahre verschwinden diese Rückzugsorte."

© SZ vom 15.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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