Bergkarabach-Konflikt:Von Trophäen und Tomaten

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Eine Parade für zwei Präsidenten: Recep Tayyip Erdoğan und Ilham Alijew in Baku. (Foto: Presidential Press Office /via Reuters)

Der türkische und der aserbaidschanische Präsident feiern sich für ihren Sieg im Bergkarabach-Konflikt. Doch auch wenn Armenien den Krieg verloren hat, hält Russland den Status der Kaukasus-Region weiter offen.

Von Silke Bigalke, Moskau

Sie saßen gemeinsam auf der Tribüne, der türkische Präsident und der aserbaidschanische, als die Parade an ihnen vorbeizog. Von einem "epischen Kampf" hatte Recep Tayyip Erdoğan zuvor gesprochen, er betrachtet sich als Mit-Gewinner in der Schlacht um die Region Bergkarabach. Zur Siegesfeier waren die Straßen der aserbaidschanischen Hauptstadt nicht nur mit der eigenen Landesflagge, sondern auch mit der türkischen geschmückt. Unter den mehr als 3000 Soldaten marschierten türkische Truppen mit.

"Zwei Staaten und eine Nation", dieses Motto hatten Baku und Ankara seit Ausbruch der Kämpfe um Bergkarabach immer wieder bemüht. Erdoğan hatte den aserbaidschanischen Staatschef Ilham Alijew beim Angriff gegen Armenien unterstützt, ihn ermuntert, seinen Sieg ermöglicht. Der Besuch des türkischen Präsidenten zeige "nicht nur unseren Völkern unsere Einheit, sondern der ganzen Welt", sagte Alijew. Genau das ist Erdoğans Gewinn: Ihm ging es um Einfluss im Kaukasus, Alijew ging um Gebietsgewinne. Und vielen Aserbaidschanern ging es um eine Jahrzehnte alte Wut auf die Armenier, die den letzten Krieg um Bergkarabach gewonnen hatten.

Deswegen war die Siegesparade für Alijew auch aus innenpolitischer Sicht wichtig. In Baku ließ er die Kriegsbeute vorführen, Lastwagen fuhren zerstörte armenische Panzer und ausgebrannte Raketenträger über den Platz der Freiheit. Einer der Höhepunkte war eine Art Wand aus Nummernschildern zerstörter Militärfahrzeuge des Feindes. "Karabach ist Aserbaidschan", stand in großen schwarzen Buchstaben darüber geschrieben. Ilham Alijew erklärte seinem Ehrengast kurz, was er dort sah, dann lachten beide.

Den Kern von Bergkarabach konnte Aserbaidschan nicht erobern

Im Moskauer Kreml dürfte man sich bei diesen Bildern wenig amüsiert haben. In Baku wurde nicht nur der russische Bündnispartner Armenien als Verlierer und Kriegsgerät aus russischer Produktion als Beute vorgeführt. Erdoğans Schulterschluss mit Alijew und seine Einmischung in den Konflikt musste Moskau von Anfang als Provokation verstehen. Der türkische Präsident hat damit die Regeln im Kaukasus verändert, wo sich Russland immer noch als Regelmacher betrachtet. Die frühere Sowjetrepublik Aserbaidschan ist schließlich Moskaus Wirtschaftspartner, die früheren Sowjetrepublik Armenien sein Bündnispartner. Zwischen beiden hatte Russland bereits 1994 einen Waffenstillstand vermittelt, der zwar stets brüchig war, aber nun obsolet geworden ist.

Damals, in den Neunzigerjahren, hatte Armenien den Krieg um Bergkarabach gewonnen, das völkerrechtlich zwar zu Aserbaidschan gehört. Seither aber kontrollierte Eriwan die Bergregion und nutzte die umliegende Gebiete als eine Art Schutzzone. Aserbaidschans Angriff im September änderte alles. 44 Tage dauerten die Kämpfe, etwa 5000 Soldaten und 150 Zivilisten starben. Aserbaidschan nahm dabei große Teile der umstrittenen Gebiete ein, den Kern von Bergkarabach mit der größten Stadt Stepanakert jedoch nicht.

Moskau setzte den Kämpfen zuvor ein Ende und vermittelte ein neues Abkommen für einen Waffenstillstand. Dieses spricht Aserbaidschan große Gebietsgewinne zu, lässt den Status von Bergkarabach aber offen. Dort sorgen nun 2000 russische Soldaten dafür, dass die Waffenruhe hält. Die Türkei darf keine Friedenstruppen schicken, so sehr Erdoğan und Alijew auch dafür warben. Für das Abkommen, das den Krieg beendete, war Erdoğans Unterschrift schließlich nicht nötig, die von Putin aber schon. Insofern ist der Kriegsausgang zwar ein Triumph für den türkischen und den aserbaidschanischen Präsidenten. Der "glorreiche Sieg", den sie am Donnerstag in Baku feierten, war es aber nicht. Den hat Moskau verhindert.

Von dort kam zur Siegesparade dann auch kein Kommentar. Stattdessen machte eine andere Aserbaidschan-Geschichte die Runde in russischen Medien: Der Einfuhrstopp für Tomaten aus der Kaukasusrepublik - zu viele Pestizide, urteilte die zuständige Moskauer Behörde. Aserbaidschan ist eigentlich Russlands größter Tomatenlieferant. Das Embargo begann genau am Tag der Militärparade.

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