Beliebtheit der Piratenpartei:Erfolgsgeheimnisse aus Nerdistan

Lesezeit: 1 min

Der Sammelband "Unter Piraten" soll die Frage klären, warum die Piratenpartei so erfolgreich ist. Auch wenn die Autoren häufig allzu wohlwollend analysieren - nach der Lektüre ist der Leser tatsächlich schlauer.

Florian Hartleb

Die Beliebtheit der Piraten gibt Rätsel auf. Die Partei geht nicht nur durch technische Innovation weit über die klassische Protest- oder Einthemenpartei hinaus. Ihr strategisches Geschick auch in Wahlkämpfen macht sie in der öffentlichen Wahrnehmung attraktiv. Plötzlich ist von der Parteifarbe "Orange", von "Nerds" als klischeebehaftetes Etikett der vornehmend männlichen Aktivisten, von den unorganisierten, offenen Konferenzen der BarCamps und gar von einer neuen Internetkultur die Rede.

Mitglieder der Piratenpartei Bayern bei einer Schlauchbootfahrt: Die neue Politik in Echtzeit bereitet den etablierten Parteien Probleme. (Foto: dapd)

Christoph Bieber und Claus Leggewie haben Akademiker, Journalisten und Marketingexperten gefragt, was von dem Phänomen zu halten ist. Schnell wird dem Leser der in sich stimmigen Aufsatzsammlung klar, dass die Piraten die Parteiendemokratie beleben, auch wenn vieles vage bleibt.

Der Politologe Karl-Rudolf Korte spricht in seinem Beitrag nicht nur von einem Kommunikationsmodus, sondern auch vom mächtigen Einfluss auf die etablierten Parteienvertreter: So fing Peter Altmaier gleich nach dem Piratenerfolg in Berlin intensiv zu twittern an. Ein anderes Beispiel ist Horst Seehofers Facebook-Party in einer Münchner Disco.

Die neue Politik in Echtzeit bereitet den Volksparteien Probleme. In ihren Forderungen sind die Piraten nach einer Überprüfung am von der Bundeszentrale für politische Bildungsarbeit entwickelten Wahlomaten eindeutig dem linken politischen Lager zuzuordnen. Die meisten Gemeinsamkeiten mit der Links-Partei gibt es wohl, weil beide gegen das Establishment eingestellt sind, was durchaus überrascht.

Wer sich näher, mit der Piratenpartei auseinandersetzen will, kommt an diesem gelungenen, manchmal aber doch sehr wohlwollenden Buch nicht vorbei. Vertiefen könnte man die Einblicke in die Heterogenität der Landesverbände, die Skurrilität mancher Forderungen, den Personalverschleiß und das technizistische Menschenbild.

Weil es sich um ein Buch handelt, kann man es nach "Zuklappen des Laptops" lesen, wie der Herausgeber Claus Leggewie am Ende schreibt. Er betrachtet das übrigens als ein verbreitetes Bedürfnis im Internet-Zeitalter. Des Rätsels Lösung ist man nach der Lektüre auch ohne tiefere Kenntnisse der Netzkultur eindeutig näher.

Der Autor lehrt Politikwissenschaft in Bonn. Christoph Bieber, Claus Leggewie (Hrsg.): Unter Piraten. Erkundungen in einer neuen politischen Arena. transcript, Bielefeld 2012. 243 S., 19,80 Euro.

© SZ vom 07.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: