Belgien:Autokennzeichen mit Ansage

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Ein Nummernschild kann ganz schön viel aussagen: Ein Politiker löst - mal wieder - eine Identitätsdebatte im Land aus.

Von Alexander Mühlauer

Es ist nicht so, dass sein BMW besonders unscheinbar wäre. Schon das knapp beschriftete Nummernschild garantiert Karl Vanlouwe eine gewisse Aufmerksamkeit: P-17 steht darauf, daneben B für Belgien, weiter nichts. Und doch hat Vanlouwe, der Vizepräsident des belgischen Senats, etwas nachgeholfen. Er überklebte das B auf dem Kennzeichen mit einem Sticker: VL (für Vlaanderen) statt B (für Belgien). Dazu muss man wissen, dass Vanlouwe der Partei N-VA angehört; und die strebt die Unabhängigkeit Flanderns von Belgien an. Das wiederum interessiert die belgische Justiz herzlich wenig: Vanlouwe soll Strafe zahlen, denn "der Buchstabe B auf dem Nummernschild muss unter der europäischen Flagge sichtbar sein."

Vanlouwe ficht das nicht an. Der bekennende Flame sieht sich im Recht und weigert sich, die verhängte Buße zu bezahlen. "Die Polizei findet mich mit meinem Nummernschild trotzdem", sagt er. Außerdem habe es auf dem alten belgischen Kennzeichen gar kein B gegeben. "Viele fahren noch damit herum und bekommen dafür keine Strafe", meint Vanlouwe. Am 28. August wird sein Nummernschild wohl Thema im belgischen Senat. Die aus der Wallonie stammende Vorsitzende des Gremiums, Präsidentin Christine Defraigne, sagte schon, sie sei darüber "not amused". Denn mal wieder muss das Land darüber streiten, was es eigentlich ist.

Es ist möglich, sich Bekundungen aller Art aufs Schild prägen zu lassen

Durch Belgien geht seit jeher ein Riss. "Sire, Sie regieren zwei Völker", schrieb der sozialistische Politiker Jules Destree 1912 in einem berühmten Brief an den damaligen König Albert: "Es gibt in Belgien Wallonen und Flamen; es gibt keine Belgier." Auch heute wissen viele Flamen und Wallonen noch immer nicht so recht, was sie miteinander anfangen sollen. Der Sprachenstreit hat das Land gespalten und nur mühsam gelingt es, irgendwie zusammenzufinden. So ein Autokennzeichen kann schnell zum Symbol eines nationalen Identitätskonflikts werden. Ganz ähnlich war das auch, als die EU-Staaten sich in den 1990er-Jahren entschieden, die wunderbar eleganten schwarzen Nummernschilder mancher Länder abzuschaffen und zu vereinheitlichen. Belgien jedenfalls wehrte sich bis zum Schluss und führte als letztes EU-Land im Jahr 2010 das Kennzeichen mit den Europasternen ein. Immerhin eine Besonderheit haben die Belgier für sich erkämpft: Ihr Land ist das einzige in der Europäischen Union, dessen Nummernschild keine schwarze Schrift hat, sondern eine rubinrote, wie im Amtsblatt vermerkt ist.

Nicht ganz so dunkelrot war die Schrift schon bei den alten Nummernschildern des Königreichs. Kein Wunder also, dass die Flamen und Wallonen es als typisch belgischen Kompromiss feierten, dass sie nun eben nicht mit schwarz-gelben oder schwarz-weißen Nummernschildern herumfahren müssen. Schließlich sollte das belgische Kennzeichen weder niederländisch noch französisch oder gar deutsch aussehen.

Für Autofahrer wie Karl Vanlouwe hält der belgische Staat außerdem eine durchaus charmante, wenn auch teure Option bereit. Seit es die EU-Nummernschilder gibt, ist es möglich, sich Identitätsbekundungen aller Art auf ein Wunschkennzeichen prägen zu lassen. WALLONIE zum Beispiel. Oder VLAAMS, EGO oder ALLAH. Das kostet allerdings eine Gebühr von 2000 Euro. Und das B bleibt trotzdem drauf.

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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