Belarus:Generalstreik gegen Lukaschenko

Lesezeit: 2 Min.

Studenten und Staatsbedienstete lassen sich von hartem Vorgehen des Regimes nicht einschüchtern.

Von Silke Bigalke, Moskau

In Belarus begann am Montag ein landesweiter Generalstreik, zu dem Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja aufgerufen hatte. Angestellte mehrerer Staatsbetriebe legten ihre Arbeit nieder. Wie viele Menschen sich insgesamt am Streik beteiligten, war zunächst nicht zu überblicken. Nach einer Mehrheit sah es jedoch nicht aus. Dafür gingen in Minsk erneut mehrere Tausend Menschen, vor allem Studenten und Rentner, zum Protest auf die Straße. Die Menschenrechtsgruppe Wjasna zählte bis zum Abend mehr als 240 Festgenommene.

Swetlana Tichanowskaja hatte Alexander Lukaschenko mit dem Streik gedroht, sollte er nicht bis Sonntagabend zurücktreten und alle politischen Gefangenen freilassen. Lukaschenko ließ nicht nur das Ultimatum verstreichen, sondern Polizei und Militär am Sonntag erneut gewaltsam gegen Demonstrierende vorgehen.

Am Montagmorgen legten Mitarbeiter in mehreren wichtigen Staatsbetrieben die Arbeit nieder. Unabhängige Online-Medien berichteten, dass unter anderem das Minsker Traktorenwerk, das Radschlepperwerk MZKT, der Kaliproduzent Belaruskali und der Düngemittelhersteller Grodno-Azot von den Streiks betroffen seien. Vor einigen Werken stand demnach am Morgen bereits Polizei, um Druck auf Streikende und ihre Unterstützer auszuüben.

Vor einem Werk von Grodno-Azot wurden Berichten zufolge mehrere Menschen festgenommen. Ein Pressesprecher des Mutterkonzerns Belneftechim bestritt, dass es dort einen Streik gegeben habe. Das Werk arbeite "in normalem Modus" hieß es. Am Morgen habe jedoch eine Gruppe von bis zu 100 Menschen erfolglos versucht, die Schicht der Arbeiter zu blockieren.

Schon bei Streikversuchen im Sommer war Angestellten von Staatsbetrieben und Behörden mit Kündigung gedroht worden. Es gebe nie genügend Streikende, sagt nun Igor Komlik, Vertreter einer unabhängigen Gewerkschaft für Elektroindustrie in Minsk. Viele hätten Angst vor Armut, man hätte die Proteste gründlicher organisieren, die Arbeiter besser aufklären müssen, sagt er. "Wir brauchen Zeit."

Die Opposition hat zwar einen Hilfsfonds mit knapp sechs Millionen Euro für Bedürftige eingerichtet. Doch weiß niemand, wie lange dieser reicht. Swetlana Tichanowskaja rief am Montag Privatleute, Religionsgemeinschaften, Sportler, also die belarussische Gesellschaft dazu auf, Streikende zu unterstützen. "Sie riskieren heute ihre persönliche Freiheit, damit wir Freiheit für unser Land erreichen." Private Unternehmer hielten Cafés und andere Geschäfte geschlossen, meldeten Inventur oder Urlaub an. Am sichtbarsten waren die Aktionen der Studierenden mehrerer Hochschulen. Sie streikten vor den Eingängen ihrer Uni-Gebäude und in Protestzügen auf den Straßen.

Dass die Wut auf Lukaschenko ungebrochen ist, zeigten die großen Proteste am Sonntag, zu denen erneut mehr als 100 000 Menschen kamen. Polizei und Militär zielte in Minsk mit Blendgranaten und Gummigeschossen auf flüchtende Protestteilnehmer. Nach Angaben des Innenministeriums wurden allein am Sonntag landesweit mehr als 500 Personen festgenommen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: