Baden-Württemberg:Ministerium für Allerlei

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Im Stuttgarter Kabinett wird für CDU-Wahlverlierer Guido Wolf ein Super-Ressort geschaffen: Justiz, Europa und Tourismus.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Die Stimme der Wirtschaft hat in Baden-Württemberg ein politisches Gewicht wie wohl nirgendwo sonst in Deutschland. Im Wahlkampf bekundeten viele Unternehmer ihre Unterstützung für Ministerpräsident Winfried Kretschmann, das kam den Grünen sehr gelegen und wirkte wie eine Ohrfeige für den CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf. Auch nach der Wahl meldeten sich Unternehmerverbände zu Wort: Sie bevorzugten Grün-Schwarz und nicht die Koalition aus CDU, FDP und SPD, die Wolf anstrebte. Ein drittes Mal erhoben sie nun ihre Stimme, als es um die Besetzung des Kabinetts ging. In einer selbst für den Südwesten beispiellosen Kampagne machten Vertreter von Arbeitgeberverband, Südwestmetall, Industrie und Maschinenbau Front gegen Wolf: Er solle nicht Wirtschaftsminister werden.

Wolf wird auch nicht Wirtschaftsminister. Das steht fest seit Dienstag, zwölf Uhr, als Kretschmann und CDU-Chef Thomas Strobl im "Haus der Abgeordneten" ihr Team vorstellten. Das Wirtschaftsministerium, das erweitert wird um die Kompetenzen für Arbeit und Wohnungsbau, soll leiten, Überraschung: Nicole Hoffmeister-Kraut, 43, ein Landtagsneuling. "Damit hat die CDU eine exzellente Wahl getroffen", ließ der Arbeitgeberverband sogleich wissen. "Mit ihrer unternehmerischen Erfahrung verfügt Frau Hoffmeister-Kraut über ideale Voraussetzungen, dieses Amt in beiden Ausprägungen - Wirtschaft und Arbeit - kraftvoll bekleiden zu können."

Das Innere trifft die Justiz: Thomas Strobl (links) und Guido Wolf. (Foto: Bernd Weissbrod/dpa)

Die 43-Jährige entstammt der Eigentümerfamilie des Waagenherstellers Bizerba in Balingen, sie ist Gesellschafterin und Aufsichtsrätin. Politisch trat Hoffmeister-Kraut, eine promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin mit Auslandserfahrung, Mutter dreier Kinder, bislang nur in Erscheinung in Gemeinde- und Kreisrat.

Als "Rakete auf dem Startplatz" hatte Strobl sie schon bezeichnet, ehe sie am 13. März das Direktmandat eroberte. Das ließ aufhorchen, denn die CDU-Frauen pochten darauf, das Kabinett inklusive der Staatssekretärsposten zur Hälfte mit Frauen zu bestücken. Der neuen Fraktion gehören nur sieben Frauen an. Aber dass Hoffmeister-Kraut so rasant abheben und im Chefsessel eines Schlüsselressorts landen würde, war wohl ursprünglich nicht so geplant. Das ließ sich erahnen, als Thomas Strobl bei der Vorstellung der designierten Minister bei Guido Wolf ankam.

Wolf übernimmt das Justizministerium, das aufgestockt wird um die Kompetenzen für Europapolitik und, Überraschung: Tourismus. Wie denn diese drei Bereiche zusammenpassen, wurde Strobl gefragt. Nun, erwiderte er, Europa und Tourismus - das habe doch irgendwie miteinander zu tun. Da erhob sich Gelächter im Journalisten-Auditorium, allzu offensichtlich war das Ressort im letzten Moment aufgemotzt worden. Ob er enttäuscht sei, dass das Wirtschaftsressort nicht an ihn ging, wurde Wolf gefragt. "In der Politik sollte man sich davon verabschieden, zu Enttäuschungen zu neigen", erwiderte er.

Wolf hatte nach seiner Wahlniederlage zunächst auf seiner Führungsrolle beharrt und sich als Fraktionsvorsitzender wiederwählen lassen. Als dann doch Strobl das Ruder übernahm, bot er, um Frieden zu stiften, Wolf einen Kabinettsposten an. Die beiden gelten seit dem Mitglieder-Entscheid über die Spitzenkandidatur als Rivalen. Zum Nachfolger von Wolf als Chef der Fraktion wählten die CDU-Abgeordneten am Dienstag den einstigen Bundesrats- und Europaminister Wolfgang Reinhart.

Ob das Gezerre um das Personal überhaupt Sinn ergibt, muss sich an diesem Donnerstag zeigen. Dann steht die Wahl des Ministerpräsidenten auf dem Programm. Er werde wieder kandidieren, kündigte Winfried Kretschmann am Dienstag lakonisch an. Auch sonst präsentieren sich die Grünen als Hort der Stabilität. Winfried Hermann, Franz Untersteller und Theresia Bauer sollen ihre Ämter behalten. Edith Sitzmann, in den vergangenen fünf Jahren Kretschmanns Stütze als Chefin der Fraktion, wird Finanzministerin. Der Ravensburger Manfred Lucha übernimmt das kombinierte Sozial- und Integrationsministerium, laut Kretschmann ein "Gesellschaftsressort". Lucha soll es zu einem grünen Markenzeichen machen. Für das Amt der Landtagspräsidentin nominierten die Grünen am Dienstag die Stuttgarter Abgeordnete Muhterem Aras. Als stärkste Fraktion haben sie das Vorschlagsrecht. Erstmals in der Landesgeschichte wird damit in dem Amt eine Frau zum Zug kommen.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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