Baden-Württemberg:Grüne Rüge

In der Flüchtlingsfrage geraten sogar die Grünen im Ländle aneinander. Tübingens OB Palmer kritisierte Merkels Politik und holte sich dafür eine deutliche Rüge von Landeschef Kretschmann ab.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Boris Palmer, der grüne Oberbürgermeister von Tübingen, gilt als Vertrauter von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. In der Flüchtlingsfrage tragen die beiden nun aber einen offenen Dissens aus. Palmer hatte in mehreren Medien, auch der SZ, eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen sowie eine Schließung der EU-Außengrenzen ins Gespräch gebracht und Kanzlerin Merkels Aussage "Wir schaffen das" kritisiert. Sollten weiterhin so viele Flüchtlinge wie derzeit kommen, seien die Kommunen überfordert. Kretschmann, der Merkels Kurs ausdrücklich unterstützt, sagte dazu am Dienstag: "Palmer ist ein aufrechter Grüner, ich schätze ihn, aber da hat er sich verrannt." Der Tübinger OB schüre mit solchen Aussagen die Unsicherheit in der Bevölkerung und erwecke den Eindruck, die Politik unternehme nichts, um die Flüchtlingszahlen zu begrenzen. Aber das Gegenteil sei der Fall. Das beim Bund-Länder-Gipfel vereinbarte Maßnahmenpaket trete gerade erst in Kraft. Kretschmann plädierte dafür, "auf Sicht" zu handeln und den Menschen nicht vorzugaukeln, es gebe einen "Masterplan". Schon mehrere Grünen-Politiker hatten Palmers Aussagen kritisiert. Für Unruhe bei den Grünen in Baden-Württemberg sorgt auch der Kurs von SPD-Innenminister Reinhold Gall, der abgelehnte Asylbewerber künftig rigoroser abschieben will. Die Grüne Jugend kündigte "Rabatz" an. Kretschmann hat dafür kein Verständnis. Man solle Gall erst einmal die Gelegenheit geben, ein Konzept vorzustellen. "Das muss man auch von jungen Menschen erwarten, die in jugendlichem Überschwang handeln", sagte Kretschmann.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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