Autoindustrie:Langer Abschied 

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Matthias Müller stellt die Zukunft des Dieselmotors infrage.

Von P. Fahrenholz

Sehr wichtige oder sehr mächtige Menschen können manchmal mit einem Halbsatz oder einer Andeutung ein kleines Erdbeben auslösen. VW-Konzernchef Matthias Müller, sicherlich ein sehr wichtiger Industriemensch, hat mal eben so en passant die Zukunft des Dieselmotors infrage gestellt. Kein Dieselfahrer muss jetzt aber befürchten, dass sein Auto über Nacht zum unverkäuflichen Ladenhüter wird. Denn der Abschied vom Diesel wird noch lange dauern.

Für die europäische und vor allem für die deutsche Autoindustrie war der Diesel lange ein Selbstläufer. Er war einerseits leistungsstark und hatte mit den lahmen Stinkern vergangener Jahrzehnte nichts mehr zu tun, anderseits war er sparsam und trug damit entscheidend dazu bei, die immer strengeren CO₂-Emissionswerte der EU einzuhalten. Und genau dafür ist der Diesel bis auf Weiteres unverzichtbar.

Der VW-Skandal - sowie ähnlich gelagerte Verstöße anderer Hersteller - haben dem Diesel ein doppeltes Problem beschert, an dem die Autoindustrie schwer zu knabbern hat. Da ist zum einen der Imageschaden. Noch hat er sich, zumindest in Deutschland, nicht sonderlich ausgewirkt, die Leute kaufen nach wie vor Dieselautos. Sollte sich das aber auch nur geringfügig zugunsten der Benzinvarianten verschieben, hätten die Hersteller sofort ein ernstes Problem mit ihrem Flottenverbrauch.

Sollen plötzlich die Elektrofuzzis in der Firma das Sagen haben?

Zum Imageschaden kommt ein Kostenproblem, im Prinzip der eigentliche Auslöser des VW-Skandals. Denn technisch ist die Abgasnachbehandlung von Dieselmotoren, mit der die giftigen Stickoxide eliminiert werden, kein Problem. Aber sie ist aufwendig und teuer und sie braucht genügend Platz im Auto. Sie wird die Preise für Dieselautos nach oben treiben und die Frage aufwerfen, ob sich das für die kleineren Modellreihen dann noch lohnt. Viele Dieselkäufer lügen sich ja heute schon in die Tasche und ignorieren, dass sich der höhere Anschaffungspreis eines Diesels erst bei einer jährlichen Kilometerleistung lohnt, die die meisten gar nicht erreichen.

Wenn der Diesel aber immer teurer wird, könnte sein jetziger Kostenvorteil gegenüber Modellen mit elektrischen Antrieben rascher als gedacht dahinschmelzen. Volvo-Chef Hakån Samuelsson etwa rechnet damit, dass in zwei bis drei Jahren ein Diesel preislich auf einem Level mit einem Plug-in-Hybrid liegt, der Kombination eines herkömmlichen Verbrennungsmotors mit einem Elektromotor, dessen Batterie sich an der Steckdose aufladen lässt. Ob das so kommt, wird sich zeigen.

Klar ist aber, dass die Autohersteller massiv umsteuern müssen, zumal sich weitere Verschärfungen der CO₂-Limits, über die bereits diskutiert wird, mit den heutigen Technologien nicht mehr lösen lassen. Es muss dafür mehr Elektrifizierung ins Auto und dafür werden die Entwicklungsetats überall gerade in großem Stil umgeschichtet.

Das ist ein Prozess mit vielen Unbekannten. Keiner kann heute präzise vorhersagen, wann die Batterien die Reichweite haben, die sie gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen konkurrenzfähig macht. Keiner weiß, wann die Herstellungskosten für die Batterien auf ein akzeptables Niveau sinken werden (von den vielen technischen Problemen wie dem hohen Gewicht einmal ganz abgesehen). Und keiner weiß, wie schnell der Ausbau der Lade-Infrastruktur gehen wird, ohne die sich auch weiterhin kaum einer ein Elektroauto kaufen wird.

Alles andere als gewiss ist auch, ob der Kulturwandel bei den Herstellern selbst gelingen wird. Bisher geben dort die Verbrenner den Ton an, nicht nur weil sie klar in der Überzahl sind, sondern auch, weil das in der DNA der Unternehmen fest verankert ist. Und plötzlich sollen die Elektrofuzzis mit ihren Bastelbuden im Keller das Sagen haben?

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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