Autoindustrie:In der Klemme

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Volvo will ab 2019 alle neu eingeführten Modelle mit einem Elektromotor ausstatten. Das klingt sensationeller, als es ist. Denn die meisten Wagen werden so genannte Volkshybride sein, die beim Sparen helfen sollen. Aber selbst diese Mogelpackung ist besser als nichts.

Von Peter Fahrenholz

Die Autoindustrie hat goldene Jahre hinter sich, allen voran die deutsche. Es wurde klotzig verdient, und wer klotzig verdient mit dem, was er im Angebot hat, der hat es nicht so eilig damit, auf neue Technologien umzurüsten. Dass die Kunden um die teuren Elektroautos einen Bogen machen (was kein Wunder ist, solange Batteriereichweite und Ladeinfrastruktur unzureichend sind), konnten die Hersteller lange relativ gelassen betrachten. Das Geschäft mit den herkömmlichen Verbrennern lief ja prächtig.

Der Dieselskandal bei VW mit all seinen Folgen hat dieser Idylle ein Ende bereitet. Denn seit klar ist, dass auch moderne Diesel, die als sauber und sparsam angepriesen wurden, in Wirklichkeit Dreckschleudern sind, mit denen man womöglich bald nicht mehr in bestimmte Städte fahren darf, wenden sich die Kunden mehr und mehr ab vom Diesel. In Deutschland ist der Marktanteil des Diesels innerhalb eines Jahres drastisch gesunken, von 46 auf inzwischen unter 40 Prozent.

Der "Volkshybrid" soll beim Spritsparen helfen

Ein Absturz oder gar ein Aus für den Diesel würde aber das gesamte System gefährden, auf das die Autohersteller angewiesen sind, um die politischen Vorgaben zu erreichen. Denn sie sind eingeklemmt zwischen zwei gleichrangigen Zielvorgaben, die miteinander zusammenhängen. Zum einen müssen sie, nicht mit jedem einzelnen Modell, aber im Schnitt der gesamten Fahrzeugflotte, die immer weiter verschärften EU-Grenzwerte beim Ausstoß des klimaschädlichen CO₂ einhalten. Dazu braucht man den Dieselmotor, denn er verbraucht deutlich weniger Sprit als ein vergleichbarer Benzinmotor. Und weniger Spritverbrauch bedeutet weniger CO₂-Ausstoß. Zum anderen müssen aber auch die Grenzwerte für die giftigen Stickoxide eingehalten werden, die ebenfalls ständig weiter verschärft werden. Stickoxide stammen zum Großteil aus den Dieselabgasen. Diese müssen mit aufwendigen Systemen gereinigt werden. Das ist zwar technisch möglich, würde den Diesel aber teurer und damit für die Kunden unattraktiver machen. Viele Hersteller haben sich deshalb eine komplexe Abgasnachbehandlung einfach gespart. Solange das auf dem Prüfstand nicht auffiel, hat das keinen gestört.

Jetzt rächt sich auf einmal beides: der zögerliche Ausbau der Elektromobilität und die völlig unzureichende Abgasreinigung beim Diesel. Die Hersteller wünschen sich heute sehnlichst, dass mehr Kunden elektrifizierte Autos kaufen, sei es als reines Batteriefahrzeug oder als sogenannten Plug-in-Hybrid, wo ein Elektromotor den Verbrenner unterstützt. Aber ein Boom bei diesen Fahrzeugen ist weit und breit nicht in Sicht, noch nicht mal ein spürbarer Aufwind.

Trotzdem hat Volvo jetzt verkündet, dass von 2019 an alle neu eingeführten Modelle über einen Elektromotor verfügen sollen. Weil die Schweden derzeit nicht nur coole Autos bauen, sondern auch geschickte PR-Strategen sind, hört sich das sensationeller an, als es tatsächlich ist. Denn mit Elektromotor ist auch eine dritte Variante gemeint, auf die nicht nur Volvo, sondern auch deutsche Hersteller wie Audi und Mercedes setzen. Dabei kann über ein zweites Bordnetz mit höherer Spannung der Verbrennungsmotor auf verschiedene Weise elektrisch unterstützt werden. Dieses auch als "Volkshybrid" bezeichnete 48-Volt-System hilft dabei, Sprit zu sparen, wenigstens ein bisschen. Denn ob ein von Experten geschätztes Sparpotenzial von bis zu 20 Prozent im Stadtverkehr realistisch ist, wird sich erst zeigen müssen. Aber jeder eingesparte Liter Kraftstoff nützt der CO₂-Bilanz, insofern ist dieser Weg vernünftig. Ein Abschied vom Verbrennungsmotor ist das aber noch lange nicht. Den wird es erst geben, wenn alternative Antriebe wirklich konkurrenzfähig sind - und auch gekauft werden.

© SZ vom 06.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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