Auszüge aus Wulff-Interview:"Ich habe mich in dem Moment eher als Opfer gesehen"

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Der Anruf bei dem Bild-Chefredakteur sei ein schwerer Fehler gewesen, für den er sich entschuldigt habe. Sein Kredit sei mit üblichen Konditionen verzinst gewesen, gegen das Ministergesetz in Niedersachsen habe er nicht verstoßen. Wie der Bundespräsident im Interview versucht, alle Vorwürfe gegen ihn zu entkräften.

Eine Rechtfertigung in Auszügen

In einem Gespräch mit ARD und ZDF, das in diesem Land und in dieser Form bisher beispiellos ist, hat Bundespräsident Christian Wulff einen Befreiungsschlag versucht. Seine Erklärungen waren oft ausschweifend, manchmal endeten sie im Niemandsland.

Rechtfertigung via TV: Bundespräsident Christian Wulff hat sich am Mittwochabend in einem Fernseh-Interview zu den Vorwürfen an ihn geäußert. (Foto: Getty Images)

Kern aller Äußerungen aber ist, dass er trotz des anhaltenden Drucks im Amt bleiben will. Und dass sein größter Fehler war, bei Medien des Springer-Verlags persönlich angerufen zu haben. Aber: Ist die Affäre damit beendet? Lesen Sie im folgende Auszüge aus der Rede des Bundespräsidenten:

Zur Frage, ob er ernsthaft an Rücktritt gedacht hat:

Nein. Denn ich hatte die ganzen Wochen über große Unterstützung von vielen Bürgerinnen und Bürgern, meiner Freunde und auch der Mitarbeiter. Ich nehme meine Verantwortung gerne wahr, ich habe sie für fünf Jahre übernommen. Und ich möchte nach fünf Jahren eine Bilanz vorlegen, dass ich ein guter, erfolgreicher Bundespräsident war; und ich mache das mit Freude und aus Überzeugung und weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe, aber nicht alles richtig war, was ich getan habe."

Zu seinen Anrufen bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann und Springer-Vorstand Mathias Döpfner und den Drohungen auf dem Band:

Der Anruf bei dem Chefredakteur der Bild-Zeitung war ein schwerer Fehler, der mir leidtut, für den ich mich entschuldige. Ich habe das auch sogleich nach der Rückkehr aus dem Ausland persönlich getan, es ist auch akzeptiert worden... Ich habe mich offenkundig in dem Moment eher als Opfer gesehen als denjenigen, der eine Bringschuld hat gegenüber der Öffentlichkeit."

Zum Verhalten gegenüber den Medien:

"Ich muss mein Verhältnis zu den Medien neu ordnen, anders mit den Medien umgehen, sie als Mittler stärker einbinden und anerkennen. Sie haben eine wichtige Aufgabe in der Demokratie. Die Medien haben auch ihre Verantwortung, aber die müssen sie selber unter sich ausmachen."

"Vielleicht muss man die Situation auch menschlich verstehen. Wenn man im Ausland ist, in vier Ländern in fünf Tagen, zehn Termine am Tag hat und erfährt, dass Dinge während dieser Zeit in Deutschland veröffentlicht werden sollen, wo man mit Unwahrheit in Verbindung, wo man also Vertrauensverlust erleidet, dann muss sich auch vor seine Familie stellen. Ich habe dann gebeten, um einen Tag die Veröffentlichung zu verschieben, damit man darüber reden kann, damit sie sachgemäß ausfallen kann. Ich war dann doch erstaunt, dass während meines Auslandsaufenthaltes diese Veröffentlichung erfolgen sollte."

Zum Grund für die Drohungen:

"Wir müssen aufpassen, dass überhaupt noch Menschen bereit sind, sich dieser Sache - auch im Internet, wenn Sie da sehen, was da über meine Frau alles verbreitet wird an Fantasien -, dann kann ich nur sagen, dass da die Menschen nicht mehr bereit sind, sich der Öffentlichkeit zu stellen."

Zum Versuch, unliebsame Berichterstattung zu verhindern:

"Ich habe nicht versucht, sie zu verhindern. Letztlich gibt es auch Persönlichkeitsrechte, Menschenrechte selbst für Bundespräsidenten, auch deren Freunde, deren Angehörige, und ich möchte nicht Präsident in einem Land sein, wo sich jemand von Freunden kein Geld mehr leihen kann. Das will ich auch mal sagen, sollten wir auch im Blick behalten."

Zum Eingeständnis von Fehlern, die nur scheibchenweise zugegeben wurden:

"Wenn Sie 400 scheibchenweise Fragen bekommen, dann können Sie auch nur scheibchenweise antworten. Die Grunddaten der Finanzierung unseres Einfamilienhauses habe ich von Anfang an genannt."

Zu dem Vorwurf, er habe besondere Konditionen bekommen:

"Es sind ganz normale übliche Konditionen. Das ist keine Immobilienfinanzierung, keine Hausfinanzierung, sondern es ist eine Kreditmarktbereitstellung. Jeweils immer für drei Monate. "

Zu den möglichen Vorteilen, die er als Aufsichtsratsvorsitzender von VW gehabt haben könnte:

"Wenn ich das richtig erinnere, dann hat das VW-Unternehmen mit allen Banken in Deutschland Kontakte. Das heißt, ich könnte als Aufsichtsrat von Volkswagen mit keiner Bank mehr überhaupt Geschäfte machen."

Zu den kostenlosen Urlauben bei befreundeten Unternehmern:

"Es ist eindeutig kein Verstoß gegen das Ministergesetz, weil diese Urlaube - in fast zehn Jahren sechs Mal oder so - bei Freunden waren, die ich aus Schulzeiten habe. Wenn Freunde bei uns in Berlin sind, stellen wir auch keine Rechnung für die benutzte Bettwäsche. Wenn man als Ministerpräsident keine Freunde mehr haben darf und wenn alle Politiker und Politikerinnen in Deutschland ab sofort nicht mehr bei Freunden übernachten dürfen, dann verändert sich die Republik zum Negativen. Jetzt, als Bundespräsident, war es ein Fehler, überhaupt bei einem Unternehmer zu übernachten."

Zum Ansehen des Amts:

"Wir müssen alle hohe Ansprüche haben, in dem Wissen, dass wir alle fehlbar sind. Man wird ein bisschen demütiger, man wird lebensklüger. Man muss aus eigenen Fehlern lernen. Und gerade die Glaubwürdigkeit, die man als Bundespräsident braucht, die wird man nur zurückerlangen, wenn man auch im Umgang mit seinen eigenen Fehlern Lernfortschritte unter Beweis stellt. Darauf wird es jetzt ankommen."

"Das Amt des Bundespräsidenten ist aus vielerlei Gründen schwieriger geworden. Durch diese Art von Umgang mit den Dingen hat man dem Amt sicher nicht gedient. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass ich durch eine ganze Reihe von Aktivitäten in der Amtszeit das Amt des Bundespräsidenten wieder gestärkt habe, dass es eine hohe Anerkennung genießt. Und ich bin geradezu überrascht, wie stark die Bürgerinnen und Bürger das auch von mir erklärt bekommen wollen und letztlich darauf setzen, dass ich Bundespräsident bleibe. Denn ich nehme meine Verantwortung wahr, ich habe mich bewusst dafür entschieden. Wir brauchen auch jetzt die Kraft, uns wieder um Politik zu kümmern. Es kommen schwierige Aufgaben auf uns zu, da braucht es einen Bundespräsidenten, der sich diesen Aufgaben zuwenden kann."

© SZ vom 05.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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