Australien:Warten auf den Wahlsieger

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Nur eines ist klar nach den Parlamentswahlen: die herben Verluste für Premier Turnbull. Er wird wohl keine absolute Mehrheit mehr haben, wenn nicht gar die Opposition gewinnt. Die Auszählung der Briefwahlzettel entscheidet.

Von Jan Bielicki, München

Bei der Parlamentswahl in Australien hat die regierende liberal-nationale Koalition von Premierminister Malcolm Turnbull hohe Verluste hinnehmen müssen. Ob er das Land dennoch auch künftig regieren kann, war am Sonntag nach Auszählung von knapp 80 Prozent der Stimmen noch nicht klar - zu dicht liegen seine Liberal-Nationalen und die sozialdemokratische Labor-Partei von Oppositionsführer Bill Shorten in etlichen Schlüsselwahlkreisen beieinander.

Turnbull zeigte sich zwar "zuversichtlich", eine eigene Mehrheit im Unterhaus zu erreichen. Doch danach sieht es nach Berechnungen des Senders ABC nicht aus. Demnach verliert Turnbulls Koalition mindestens ein Dutzend Sitze. Sicher haben die National-Liberalen bislang nur 65 der 150 Unterhaus-Mandate, Labor kommt auf bisher 67. In 13 Wahlkreisen wird erst die Auszählung der Briefwahlstimmen ergeben, wer ins Parlament einrücken darf. Laut ABC-Prognose könnte die Regierungskoalition am Ende zwar knapp vor Labor liegen, eine eigene Mehrheit aber verfehlen. Für seine Wiederwahl wäre Turnbull dann auf Stimmen aus der Reihe der fünf Abgeordneten angewiesen, die ihr Mandat als Unabhängige oder Vertreter der Grünen und kleinerer Parteien gewonnen haben. Auch im Senat, der zweiten Parlamentskammer, können weder die Koalition noch Labor mit einer Mehrheit rechnen.

Damit hat der Regierungschef seine Wahlziele deutlich verfehlt. Eigentlich wollte sich Turnbull, der erst im Herbst in einer Fraktionsrevolte seinen Vorgänger Tony Abbott gestürzt hatte, ein klares Mandat für eine stabile Regierung holen - und damit auch seine Position gegenüber dem rechten Flügel der eigenen Partei stärken. Nun aber geht er, auch wenn es für den Machterhalt reichen sollte, deutlich geschwächt aus der Wahl hervor. Das wird ihm das Regieren nicht leichter machen, zumal sein parteiinterner Erzrivale Abbott den eigenen Wahlkreis sicher gewann. Gestärkt dagegen steht Oppositionsführer Shorten da, selbst wenn er eine Regierungsübernahme knapp verpassen sollte. Ihm hatte kaum jemand zugetraut, Labor - vor drei Jahren noch völlig zerstritten und von den Wählern aus der Regierung gejagt - wieder in Reichweite der Macht zu führen.

Bis die Briefwahlzettel ausgezählt sind, dauert es mindestens einige Tage. Solange werden die Australier auf den wirklichen Wahlsieger warten müssen.

© SZ vom 04.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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