Australien:Feuerwerk der schlechten Laune

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Weil in Fremantle keine Raketen steigen sollen, streitet Australien über seinen Nationalfeiertag - unter Hinweis auf die Aborigines.

Von Jan Bielicki

Am 26. Januar 1788 fuhren elf Schiffe, beladen mit Sträflingen und ihrem Wachpersonal, in die Bucht ein, über die sich heute Sydneys vielfotografierte Hafenbrücke spannt. Kapitän Arthur Phillip ließ sich an den Strand rudern und nahm das Land im Namen der britischen Krone in Besitz. Für die Australier ist das Datum heute ihr Nationalfeiertag. Premierminister und Generalgouverneur sprechen warme Worte, das Volk packt Shrimps, Bier und Wein in Kühltaschen und fährt ans Wasser oder ins Grüne. Dort gibt es Kinderfeste, Konzerte, Cricket und, sobald es dunkel wird, vielerorts ein Feuerwerk.

Das Feuerwerk über dem Hafen von Fremantle im äußersten Westen des Kontinents ist besonders spektakulär. Doch für dieses Jahr hat der Stadtrat das Spektakel gestrichen - und damit landesweite Erregung ausgelöst. Denn der Beschluss, gefällt mit zehn Stimmen gegen nur eine, ist ein Politikum. Dazu muss man wissen, dass die historische Hafenstadt politisch eine grüne Insel im konservativ geprägten Bergbau-Bundesstaat Westaustralien ist: Hier gibt es etwa, im autoverliebten Australien unerhört, Fahrradspuren allerorten, und Infotafeln in der pittoresken Innenstadt weisen Touristen darauf hin, dass sie sich auf Whadjuk-Land befinden.

Genau hier liegt der Kern des Feiertags-Streits. Denn für die Whadjuk und die anderen Völker der Aborigines ist die Ankunft der Kolonisatoren kein Anlass für Jubel. Für sie markiert der Tag den Beginn einer Leidenszeit. Tausende Männer, Frauen und Kinder wurden von den europäischen Ankömmlingen ermordet, Zehntausende erlagen den eingeschleppten Epidemien. Den Ureinwohnern wurden das Land und sogar ihre Kinder geraubt - unter dem Vorwand, sie fern der Verwandten zu "zivilisieren". Bis heute prägen Armut und vielfache Ablehnung das Leben vieler Aborigines, die weniger als drei Prozent der etwa 24 Millionen Australier ausmachen - und im Schnitt zehn Jahre früher sterben als ihre Mitbürger.

Nicht nur Fremantles grüner Bürgermeister Brad Pettitt hält darum ein fröhliches Feuerwerk an diesem Gedenktag für "kulturell unsensibel". Aborigine-Aktivisten fordern schon seit Jahren, den Tag im Gedenken an die Opfer als Survival Day oder gar als Invasion Day zu begehen. Doch der Entschluss der Stadträte, anstelle des Feuerwerks ein "kulturell inklusives Alternativevent" samt Konzert und Familienfest zwei Tage später anzusetzen, empört konservative Australier. Dass er eine politisch korrekte Spaßbremse sei, war noch der mildeste Vorwurf, den Pettitt in den sozialen Medien lesen konnte.

Bürgerrechtler wollen den Nationalfeiertag schon lange auf ein anderes Datum verlegen. Bisher jedoch haben Premierminister jeder Couleur eine Verlegung strikt abgelehnt - wohl auch aus der Angst, dem Wahlvolk die Feierlaune zu verderben. Das will auch Pettitt nicht. "Jeder kann am Australia Day feiern, wie er will", sagt der Bürgermeister und verweist darauf, dass Feierlustige in einer halben Stunde mit der S-Bahn zum großen Feuerwerk in der Staatshauptstadt Perth fahren können. Doch das wird gar nicht nötig sein. Fremantles Tourismusbranche lässt nun auf eigene Kosten Raketen über dem Yachthafen steigen. Gedenken mag Gedenken sein, doch Geschäft ist Geschäft.

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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