Australien:Elitekämpfer als Mörder

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Nicht in der Hitze des Gefechts seien die Verbrechen geschehen, erläuterte in Canberra der Chef der australischen Verteidigungsstreitkräfte, General Angus Campbell. Er präsentierte den Untersuchungsbericht über den Afghanistan-Einsatz. (Foto: Mick Tasikas/dpa)

Kommandotrupps haben laut einer Untersuchung schwere Kriegsverbrechen in Afghanistan begangen. Es geht auch um ritualisierte Tötungen von Zivilisten. Der Armeechef spricht von der "möglicherweise schändlichsten Episode der australischen Militärgeschichte".

Von Jan Bielicki, München

Es fielen Schüsse, als die australischen Soldaten am 14. März 2012 in Sarkum landeten. Einer traf Haji Sardar Khan in den Oberschenkel. Khan war ein angesehener Mann in seinem Dorf im Süden Afghanistans, Vater von sieben Kindern und auch schon Großvater. Es war keine gefährliche Verletzung, um die sich der Armee-Sanitäter Dusty Miller kümmerte. Doch dann, so erzählte Miller später, trat ein höherrangiger Soldat seiner Einheit dazu und trug den Patienten weg. Haji Sardar Khans Leiche fanden die Dorfbewohner in der örtlichen Moschee, sie trug Spuren von Misshandlungen.

Es ist einer von 23 ähnlichen Vorfällen, die Australiens Armee gerade schwer erschüttern. Von "schwersten Kriegsverbrechen", begangen ausgerechnet von Soldaten der hochgerühmten Eliteeinheit Special Air Service (SAS), ist nun in einem Untersuchungsbericht die Rede, den Australiens Armeechef Angus Campbell am Donnerstag vorstellte. 39 afghanische Zivilisten seien dabei "Morden" zum Opfer gefallen, heißt es in dem Bericht, keiner von ihnen war demnach bewaffnet, keiner Kombattant. Und keine dieser Tötungen sei in der Hitze des Gefechts geschehen, sagte Campbell. Der Report enthülle "die möglicherweise schändlichste Episode der australischen Militärgeschichte".

Die Ergebnisse der Untersuchung, niedergelegt auf 486, in der veröffentlichten Version an vielen Stellen geschwärzten Seiten, kommen nicht überraschend. Australische Medien hatten, gestützt auf Aussagen von afghanischen Augenzeugen und Whistleblowern wie dem SAS-Sanitäter Miller, immer wieder von angeblichen Kriegsverbrechen australischer Kommandoeinheiten in Afghanistan berichtet. Lange waren Journalisten und ihre Informanten deswegen mit Verfahren überzogen worden.

Doch nun sind sie bestätigt. Vier Jahre hatte die Untersuchungskommission, geleitet von dem Richter und Generalmajor der Reserve Paul Brereton, ermittelt und mehr als 400 Zeugen unter Eid befragt. Demnach waren für die meisten der geschilderten Taten kleine Kommandoeinheiten verantwortlich, die oft nur mit einem halben Dutzend Soldaten zu Spezialeinsätzen in von den Taliban kontrollierte Gebieten Afghanistans flogen. Dabei sollen befehlshabende Soldaten Neulingen in ihrem Trupp befohlen haben, Gefangene zu erschießen - "Blooding" nannten sie das mörderische Initiationsritual. Den Leichen seien dann Waffen oder Funkgeräte untergeschoben worden, um sie als im Kampf getötete Terroristen hinzustellen.

Gegen 19 ehemalige und noch aktive Soldaten soll nun strafrechtlich vorgegangen werden. Premierminister Scott Morrison hat bereits in der vergangenen Woche die Berufung eines Sonderermittlers angekündigt. Am Mittwoch hatte Morrison Afghanistans Präsident Aschraf Ghani angerufen und seine "tiefe Trauer" über die Taten der australischen Soldaten ausgedrückt. Abdul Latif Sardar, einer der Söhne des getöteten Haji Sardar, nannte in einem Telefonat mit der Zeitung The Age den Bericht "ein Schritt zur Gerechtigkeit". Nun müssten die Täter zur Rechenschaft gezogen werden: "Es war so grausam, was sie mit unserem Vater gemacht haben."

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