Außenpolitik: Guido Westerwelle:"Aus mir wird was"

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Ganz Berlin weiß: FDP-Chef Westerwelle will Guido Genscher werden. Mit einer Rede an einem symbolischen Ort empfiehlt er sich als möglicher Außenminister - was er offiziell leugnet.

Gökalp Babayigit, Berlin

Nahezu selig blickt Hans-Dietrich Genscher zu Guido Westerwelle hinüber. Aber der amtierende FDP-Chef, dem Anlass entsprechend in dunklem Anzug mit hellblauer Krawatte, erwidert den Blick nicht. Er hält seine erste Rede im ehrfurchtgebietenden Haus der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) - und klammert sich an sein Redemanuskript.

Träumt vom Amt des Außenministers: Guido Westerwelle (Foto: Foto: dpa)

Für die Porträtgalerie an der Wand des bis auf den letzten Platz gefüllten Robert-Bosch-Saals hat er keine Zeit. So entgeht ihm wahrscheinlich, dass das Konterfei Genschers, des Vorbilds für alle FDP-noch-nicht-Außenminister, zufällig rechts neben dem Rednerpult hängt. Zwei Meter entfernt von der Stelle, an der Guido Westerwelle gerade seine außenpolitische Bewerbungsrede hält.

Es ist allerhand diskutiert worden über die kaum noch verhohlenen Ambitionen des FDP-Chefs, endlich nach der kommenden Bundestagswahl Außenminister zu werden - einem ungeschriebenen Gesetz zufolge besetzt der kleinere Koalitionspartner diesen Posten. Mit einer schwarz-gelben Mehrheit, die die Meinungsforscher derzeit sehen, hat das Thema an Aktualität gewonnen.

Schon vor geraumer Zeit vollzog Guido Westerwelle die Abkehr von der Spaßpolitik. Mit großer Anstrengung kämpft er seit langem gegen das Image "Leichtmatrose" an. Er will sich außenpolitisches Profil aneignen, trifft den russischen Außenminister - und spricht darüber, so oft es geht. Das Ziel ist offensichtlich: Flugbereitschaft der Bundeswehr statt Guidomobil, EU-Außenministerrat statt "Big-Brother"-Container.

Emsige Vorbereitung

So hat er sich gewissenhaft und fleißig auf diese Rede im Haus der renommierten DGAP vorbereitet, die eine Grundsatzrede über die zukünftige Außenpolitik Deutschlands sein soll. Bis zuletzt feilte der FDP-Chef am Text, wie er später einräumen wird. Es gibt schließlich ein passendes Vorbild: Im Juni 1998 präsentierte sich Joschka Fischer an gleicher Stelle als möglicher Außenminister - und wurde Monate später Deutschlands Spitzendiplomat.

Dass auch die DGAP von einer größeren Bedeutung der Westerwelle-Rede ausgeht, davon zeugt die Planung der Organisatoren. Mittels Videoübertragung sollen alle, die keinen Platz im Robert-Bosch-Saal gefunden haben, in den Nebenräumen live dabei sein können, wenn der Chef-Liberale spricht.

Und Westerwelle redet, als ob er schon immer ein außenpolitischer Kopf war, und zitiert dabei pflichtbewusst immer wieder Hans-Dietrich Genscher. Über die Werte, die hochzuhalten und zu verteidigen die Aufgabe des Westens sei, über die unentbehrliche Nato, über den Aussöhnungsprozess mit dem Osten Europas, über Barack Obama, über eine atomwaffenfreie Welt, die mit konventioneller Abrüstung einherzugehen habe, über Russland.

Ein Anliegen hat Westerwelle zuletzt immer betont: Er will künftig stärker Geld aus der Entwicklungshilfe an Regierungen geben, die ihr Land gut führen.

Status quo statt rabiater Brüche

Einen wahren Bruch mit der jetzigen Außenpolitik hat Westerwelle freilich nicht vor. Kontinuität ist ein wichtiges Stichwort dieser passablen Rede vom Skript, die einen wegen ihrer Bandbreite und eindringlichen Vortragsweise an ein gewissenhaft vorbereitetes Referat in der Schule erinnert.

Doch so wie der Einser-Schüler anschließend bei den Fragen zur Thematik zum Zweier- oder Dreier-Schüler wird, so fällt auch Westerwelle bei der Fragerunde, die seiner "Bewerbungsrede" folgt, wenig Erhellendes oder Neues ein.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie das außenpolitische Establishment auf die Rede reagierte.

Seine Antwort darauf, wie konkret der Nahostkonflikt angegangen werden könnte, verliert sich in einer persönlichen Anekdote, wie er als Mittzwanziger auf den Golan-Höhen stand und die Verletzlichkeit Israels erkannte. Dabei hätte man gern mehr erfahren über die von ihm angedachte Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten, die er schon im Interview mit dem Spiegel angerissen hatte und auch diesmal als Antwort präsentierte.

Wie ein Staatsmann präsentierte sich - rein optisch - Guido Westerwelle vor der DGAP. (Foto: Foto: dpa)

Womit Westerwelle aber alle Zuhörer erreichte, waren seine ironischen Kommentare zur Symbolhaftigkeit seiner Rede vor der DGAP. In typischer Manier verwarf er alle Deutungsversuche. Er sei als Fraktions- und Parteichef der FDP hier und nicht als zukünftiger Außenminister. Über Posten, die erst nach der Bundestagswahl vergeben würden, solle man sich keine Gedanken machen. Aber: "Machen Sie sich um mich keine Sorgen, aus mir wird was."

Wohlwollendes Publikum

Westerwelle saß in der DGAP einem wohlgesinnten Publikum gegenüber, das sich sogar zu seiner Verteidigung aufraffte. Als der Leiter einer DGAP-Forschungsgruppe etwas vorwurfsvoll fragte, wie denn "der Vorsitzende der drittgrößten Bundestagsfraktion" (als der er schließlich bei der DGAP zu Gast sei, wie Westerwelle ja selbst zuvor mit gespieltem Understatement behauptet hatte) eine "wegweisende Rede über die zukünftige Außenpolitik" halten könne, ohne auch nur einmal die Staaten China, Indien oder Brasilien zu erwähnen, da sprang ihm das Publikum eilfertig zur Seite.

In einem raunenden Crescendo wurde der Fragesteller von den aufmerksameren Zuhörern zurechtgewiesen: Sehr wohl hatte Westerwelle diese Länder erwähnt. Dass die Stoßrichtung der Frage im Kern richtig war, verlor sich im allgemeinen Gelächter über Westerwelles süffisante Antwort.

Der Mann, der im Herbst 2009 Außenminister sein will, hatte China und Indien tatsächlich erwähnt. An einer Stelle, in einem Satz. Was Genscher dazu gesagt hätte, ist nicht bekannt.

Die Diskussion über den Noch-nicht-Außenminister werden weitergehen.

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