Außenminister:Worte ohne Taten

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Sigmar Gabriels markige Drohungen an die Türkei scheinen ins Leere zu laufen. Das Kanzleramt trägt seine Forderungen nicht mit.

Von Stefan Braun

Sigmar Gabriel ist bekannt für klare Worte. Manchmal aber muss der SPD-Mann später erkennen, wie schwer es sein kann, harschen Worten auch harsche Taten folgen zu lassen. Jüngstes Beispiel: Gabriels Politik gegenüber der Türkei.

Markig war der Auftritt des deutschen Außenministers am 20. Juli. Mit ungekannter Deutlichkeit verkündete der Sozialdemokrat, dass im Konflikt mit der Türkei eine Grenze erreicht sei. Die Attacken Ankaras, vor allem aber die ungerechtfertigten Verhaftungen deutscher und deutsch-türkischer Staatsbürger zwängen Berlin zu einem Kurswechsel. "Immer wieder haben wir versucht, mit Ankara ins Gespräch zu kommen", sagte Gabriel. "Immer wieder sind wir enttäuscht worden."

Sogleich kündigte Gabriel Änderungen an: Einvernehmlich mit der Kanzlerin habe man entschieden, die sogenannten Hermes-Bürgschaften für Investitionen infrage zu stellen und die EU-Vorbeitrittshilfen zu überprüfen. Überdies, so der Minister, könne man es leider für keinen deutschen Geschäftsmann oder Touristen in der Türkei mehr ausschließen, unter fadenscheinigen Begründungen verhaftet zu werden. Was offiziell noch keine Reisewarnung sein sollte, wirkte wie eine solche. Die Botschaft: Jeder müsse sich gut überlegen, ob er dieses Risiko noch eingehen wolle.

Hermes-Bürgschaften und Vorbeitrittshilfen wirklich zu bremsen, wird nicht einfach

Gut vier Wochen später hat sich an Gabriels Stimmung wenig geändert. In Sachen Tourismus bleibt seine Rhetorik scharf. Zugleich aber zeigt sich hinter den Kulissen, dass es nicht einfach wird, Hermes-Bürgschaften und Vorbeitrittshilfen an die Türkei wirklich zu bremsen. Regierungsintern umstritten ist nach Medienberichten vor allem die Frage der Hermes-Bürgschaften für deutsche Investoren in der Türkei. Anders als Gabriel lehnt das Kanzleramt eine deutliche Begrenzung, im Fachjargon "Deckelung", der Bürgschaften ab. Einen entsprechenden Bericht des Spiegel bestätigte am Sonntag ein hoher Regierungsbeamter. Das Haus von Angela Merkel lehnt demzufolge vor allem die Forderung aus dem Auswärtigen Amt ab, die Bürgschaften auf eine Milliarde Euro zu begrenzen. Da derzeit knapp 800 Millionen bereits bewilligt und beinahe eine Milliarde beantragt sind, wäre das ein heftiger Einschnitt. Besonders pikant: Nach einem Bericht der Bild am Sonntag stellt sich nicht nur das Kanzleramt quer, sondern auch SPD-Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries.

Ebenfalls als schwierig erweist sich Gabriels Ruf, die Vorbeitrittshilfen der EU an die Türkei zu stoppen. Dies müssten die EU-Mitgliedsländer beschließen. Laut Medienbericht würde das nur eine Minderheit der EU-Partner derzeit mittragen, darunter Frankreich und Italien.

Nun mag vieles für Gabriel schwerer sein als gedacht, aber auf seinen Kanzlerkandidaten kann er sich derzeit verlassen. Martin Schulz nämlich fordert inzwischen, man müsse Ankara ein Ultimatum zur Freilassung der Deutschen stellen und ansonsten alle Gespräche über eine erweiterte Zollunion einstellen. Das passt zur Linie Gabriels - und Schulz ist sich auch ganz sicher, dass man das durchsetzen könnte.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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