Umsturz in Libyen:Verwirrung um Festnahme von Gaddafi-Sohn Mutassim

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Die Menschen in Libyen feierten die Nachricht mit Freudenschüssen und Jubelschreien: Kämpfer der neuen libyschen Führung sollen einen weiteren Gaddafi-Sohn gefasst haben. Mutassim al-Gaddafi sei auf der Flucht aus Sirte festgenommen worden. Wenige Zeit später kommt ein Dementi des libyschen Übergangsrats.

In Libyen sorgen widersprüchliche Berichte über die angebliche Festnahme eines der Söhne des untergetauchten früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi für Verwirrung. Nachdem Angehörige des libyschen Übergangsrats zunächst mitgeteilt hatten, dass Mutassim Billah al-Gaddafi in der Hafenstadt Sirte gefasst und nach Bengasi zum Verhör gebracht worden sei, konnte dies später in Bengasi nach einem Bericht des BBC offiziell nicht bestätigt werden.

Zunächst ließ ein Sprecher des Nationalen Übergangsrats mitteilen, der Sohn von Libyens langjährigem Machthaber Muammar al-Gaddafi, Mutassim Billah al-Gaddafi, sei gefasst worden. Bereits am Dienstag sei Mutassim in der umkämpften Hafenstadt Sirte ergriffen worden, zitieren Nachrichtenagenturen Abdelkarim Bisama, einen ranghohen Vertreter des Nationalen Übergangsrates.

Soldaten des Übergangsrats hätten ihn gestellt, als er mit seiner Familie in einem Geländewagen aus der Gaddafi-Heimatstadt Sirte flüchten wollte. Er sei bereits am Mittwochmorgen zum Verhör nach Bengasi gebracht worden. Die Festnahme sei nicht früher bekanntgegeben worden, um mögliche Befreiungsversuche durch Anhänger seines Vater zu verhindern. Nach Bekanntgabe der Festnahme waren in Tripolis und in der Hafenstadt Misrata Freudenschüsse der Rebellen zu hören, Menschen feierten auf den Straßen.

Wenige Zeit später dementierte ein anderer Sprecher des Nationalen Übergangsrats die Berichte: Bei Gefechten in Sirte seien zwar enge Vertraute des Sohns des ehemaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi gefangen genommen worden, nicht jedoch Mutassim selbst, sagte Dschalal el Gallal in Bengasi. Er habe mit Kommandeuren in Sirte gesprochen und es gebe "keine Bestätigung, dass Mutassim Gaddafi gefangenen genommen wurde".

Der 1977 geborene Karrieresoldat Mutassim al-Gaddafi war 2007 zum Chef des nationalen Sicherheitsrates berufen worden, außerdem war er Kommandeur der Präsidentengarde. Nach dem Vorwurf eines Putschversuchs ging er ins Exil nach Ägypten, doch sein Vater verzieh ihm und ließ ihn zurückkehren. Mutassim galt vor Beginn des Aufstandes in Libyen als der stärkste Konkurrent seines Bruders Saif al-Islam um die Nachfolge an der Staatsspitze. Er soll zuletzt den Widerstand der Gaddafi-Anhänger im 360 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis gelegenen Sirte befehligt haben.

Die Revolutionsstreitkräfte haben die verbliebenen Gaddafi-Anhänger in Sirte nach eigenen Angaben eingekesselt. Der Übergangsrat geht davon aus, dass sich Mutassim Gaddafi und weitere ranghohe Vertreter des alten Regimes noch immer in der Hafenstadt aufhalten. Das sei offenbar der Grund für den erbitterten Widerstand der Gaddafi-treuen Kämpfer, hieß es aus Kreisen der neuen Regierung.

Vor knapp zwei Monaten wurde Gaddafi aus Tripolis vertrieben, seither ist es den Truppen der neuen libyschen Führung noch nicht gelungen, Sirte vollständig einzunehmen. Ohne die Kontrolle über Gaddafis Heimatstadt sind vorerst auch Bestrebungen blockiert, einen Zeitplan für Wahlen zu erstellen und den Übergang zur Demokratie voranzutreiben. Sirte gilt - neben der Oasenstadt Bani Walid - als die bedeutendste der noch verbliebenen Gaddafi-Bastionen.

© sueddeutsche.de/Reuters/AFP/infu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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