Attentäter von Fort Hood:Briefe in den islamischen Jemen

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Der Attentäter von Fort Hood hatte sich vor seiner Bluttat mit einem radikalen Imam im Jemen ausgetauscht - ein Indiz für einen Terrorakt?

Reymer Klüver

Eine smoking gun sind die E-Mails nicht: der noch rauchende Colt, wie im Jargon amerikanischer Ermittler eindeutige Beweise gerne genannt werden. Doch dürfte der Umstand, dass Major Nidal Hasan, der Killer von Fort Hood, elektronisch engen Kontakt mit einem radikalen Imam im Jemen unterhielt, noch Anlass zu umfangreichen weiteren Untersuchungen sein. Genauso wie die Tatsache, dass das FBI und die militärische Abwehr über diese E-Mails informiert waren - und keinen Grund sahen, Ermittlungen gegen den muslimischen Offizier einzuleiten.

Zehn bis 20 Emails schrieb der Attentäter an den islamischen Geistlichen Anwar al-Awlaki (Foto), der im Jemen lebt. (Foto: Foto: AFP)

Tatsächlich hatten die Geheimdienste Ende vergangenen und Anfang dieses Jahres zwischen 10 und 20 E-Mails von Hasan an Anwar al-Awlaki abgefangen, einen islamistischen Geistlichen, der als Sohn jemenitischer Einwanderer in New Mexiko geboren wurde, aber heute wieder im Jemen lebt.

Hasan könnte ihn vielleicht Anfang des Jahrzehnts kennengelernt haben, als al-Awlaki Imam der Dar-al-Hijrah-Moschee in Falls Church war, einem Vorort der Hauptstadt Washington. Dort hatten eine Zeitlang auch drei der Selbstmord-Attentäter vom 11. September 2001 gebetet.

Erklärliche Emails

Nach FBI-Angaben waren die E-Mails aber durchaus im Einklang mit Forschungsarbeiten Hasans, der bis zum Sommer als Psychiater am Walter-Reed-Militärkrankenhaus in Washington arbeitete, wo die Schwerverletzten der Kriege im Irak und in Afghanistan versorgt werden. Die E-Mails seien durch die Forschungen Hasans "erklärlich" gewesen, und "nichts anderes" sei aus ihnen herauszulesen gewesen. Deshalb sei das FBI damals zu der Einschätzung gekommen, dass "Major Hasan nicht in terroristische Aktivitäten verwickelt" gewesen sei.

Imam Awlaki antwortete Hasan offenbar zweimal. Nach Angaben des republikanischen Abgeordneten Peter Hoekstra, der Mitglied im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses ist, waren aber auch sie "recht unschuldigen" Inhalts. Am Montag hatte Aulaqi auf seiner englischsprachigen Website Hasan als "Helden" gefeiert und hinzugefügt: "Wer als Muslim in der US-Armee dient, kann es islamisch nur rechtfertigen, wenn er die Absicht hat, in die Fußstapfen von Männern wie Nidal zu treten."

Das FBI hält Hasan indes für einen Einzeltäter: "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keinen Anhaltspunkt, der darauf hinweisen würde, dass Major Hasan Mitverschwörer hatte oder Teil eines breiter angelegten Terroranschlags war", sagte ein Sprecher.

Die Ermittler vom FBI hatten auch ihre Kollegen in der Armee auf Hasans E-Mail-Kontakte aufmerksam gemacht. Aber weil sie weder Drohungen enthielten noch gar Gewalt predigten, sah offenbar niemand einen Grund, die Angelegenheit weiter zu verfolgen.

Etwas Gotgefälliges tun

Unklar ist auch, ob die militärische Abwehr Kenntnis von einem Dia-Vortrag hatte, den Hasan vor zwei Jahren vor Kollegen gehalten hat. Darin hatte er über das Recht von Muslimen auf Widerstand gesprochen: "Wenn muslimische Gruppen andere Muslime davon überzeugen können, dass sie für Gott gegen Ungerechtigkeiten der Ungläubigen kämpfen, dann können Muslime ein mächtiger Gegner werden, zum Beispiel durch Selbstmordattentate." Dazu hatte er auf einem Dia geschrieben: "Wir lieben den Tod mehr, als ihr das Leben liebt."

Noch ist nicht klar, was Hasan letztlich getrieben hat. Am Donnerstagmorgen, wenige Stunden vor der Bluttat, verschenkte er Kleidung und seinen Koran an Nachbarn und sagte, dass er an diesem Tag etwas Gottgefälliges zu tun gedenke.

Da war er offenkundig bereits fest entschlossen und rechnete - ähnlich wie Selbstmordattentäter - wohl nicht damit, zu überleben.

Sekundär-Traumatisierung

Die Ermittler gehen davon aus, dass Hasans mörderischer Entschluss von einer Reihe von Faktoren ausgelöst wurde. Da ist zum einen seine über die Jahre gewachsene Religiosität. Zum anderen sein Widerwille gegen die Kriege in Afghanistan und dem Irak, die er als Angriff auf muslimische Glaubensbrüder ablehnte. Zum Dritten könnte eine Rolle gespielt haben, was Psychologen eine Sekundär-Traumatisierung nennen, also die seelische Belastung durch seine Patientengespräche mit Verwundeten und unter post-traumatischen Belastungsstörungen leidenden Kriegsheimkehrern. "Jeder, der mit solchen Patienten arbeitet, ist davon selbst tief betroffen", sagt Antonette Zeiss, eine Psychologin im Veteranenministerium. Schließlich dürfte ihn sein bevorstehender Marschbefehl nach Afghanistan belastet haben.

Unterdessen kamen Pentagon und US-Justizministerium überein, den Fall der Militärgerichtsbarkeit zu unterstellen. Das bedeutet, dass die Behörden nicht von einer islamistischen Verschwörung ausgehen. Hasan selbst verweigerte noch am Wochenende jede Aussage. Hasans Anwalt kündigte das Naheliegende an: Er wolle prüfen lassen, ob sein Mandant zum Zeitpunkt der Tat überhaupt zurechnungsfähig gewesen sei.

© SZ vom 11.11.2009/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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