Bundeskanzlerin Angela Merkel will Nachmittag offenbar bekanntgeben, dass die Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke ausgesetzt wird. Merkel habe diese Entscheidung im kleinen Kreis vorbereitet und mit dem CDU-Präsidium abgestimmt, berichtet Focus Online unter Berufung auf Regierungskreise. In dieser Zeit solle die Sicherheitslage in den deutschen Atommeilern mit Blick auf die Erkenntnisse aus Japan überprüft werden.
Nach dpa-Informationen sind die Details der Aussetzung noch offen. Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle wollten die Einzelheiten in einem Gespräch am Nachmittag klären.
Westerwelle antwortete bereits am Morgen auf die Frage, ob es auch ein Moratorium für den Regierungsbeschluss zur Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke geben könne, sagte Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP): "Ich kann mir das vorstellen."
Er sprach sich für die Einsetzung einer neuen Expertengruppe aus, die die Sicherheitsstandards aller AKWs in Deutschland überprüfen soll. Entscheidend für das weitere Vorgehen seien dann die Ergebnisse dieser unabhängigen Expertenkommission. "Wir brauchen eine neue Risikoanalyse", sagte der FDP-Chef. "Wenn sich bei uns Defizite herausstellen, müssen Atomkraftwerke jetzt nachgerüstet werden und können solange nicht weiter betrieben werden."
Er bezog das vor allem auf die Überprüfung der Kühlsysteme der Atomkraftwerke, die in Japan offensichtlich teilweise versagt haben. Westerwelle und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sprachen sich auch für einen rascheren Übergang von der Atomkraft zu regenerativen Energiequellen aus, als dies bisher von der Bundesregierung geplant war.
"Es hat sich eine neue Lage ergeben", sagte Brüderle dazu. Konkret verlangte er einen schnelleren Ausbau der Stromnetze und eine rasche Weiterentwicklung der CCS-Technologie. Damit soll der für die Umwelt sehr schädliche CO2-Ausstoß, der bei der Kohle-Verbrennung entsteht, unter die Erde verpresst werden.
Der Generalsekretär der CDU in Baden-Württemberg, Thomas Strobl, stellt die Laufzeitverlängerung der deutschen Kernkraftwerke in Frage. "Es kann jetzt keinesfalls heißen: 'Weiter so!'", sagte Strobl zu sueddeutsche.de. Es müsse alles auf den Prüfstand - auch die Frage der Laufzeiten, so der CDU-Politiker. In Baden-Württemberg finden am 27. März Landtagswahlen statt. Die CDU bangt um die Wiederwahl von Ministerpräsident Stefan Mappus.
Die SPD wittert in dem Atom-Thema eine Chance und will Union und FDP vor den anstehenden Landtagswahlen in Bedrängnis bringen. Die SPD-Bundestagsfraktion will nach Informationen der Süddeutschen Zeitung für kommenden Donnerstag im Plenum des Parlaments eine namentliche Abstimmung über die umstrittene, von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atommeiler beantragen.
Als Konsequenz aus den schweren Störungen in japanischen AKWs verlangen SPD wie auch Grüne seit dem Wochenende mehr Atom-Sicherheit in Deutschland, darunter eine Abschaltung der dienstältesten Meiler und eine Rückkehr zum einstigen rot-grünen Ausstiegsgesetz.