Atom-Programm:Iran sorgt für internationale Unruhe

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Raketentests und eine zweite Atomanlage: Die USA schließen ein militärisches Vorgehen gegen Iran nicht mehr aus.

Thomas Avenarius

Während sich die internationale Gemeinschaft über den bisher geheim gehaltenen Bau einer zweiten iranischen Atomfabrik empört, setzt Iran auf mili-tärische Abschreckung. Die Revolutionsgarden testeten verschiedene Raketen. Zugleich versprach Iran aber auch, die neue Uran-Anreicherungsanlage für Inspektoren der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) zu öffnen.

Wenige Tage vor dem Genfer Treffen zwischen Vertretern der fünf ständigen Sicherheitsrat-Mitglieder sowie Deutschlands mit iranischen Abgesandten hofften Vertreter westlicher Staaten daher noch immer auf eine diplomatische Lösung. Neben erheblich schärferen Sanktionen schlossen vor allem die USA inzwischen aber ein militärisches Vorgehen gegen das iranische Atomprogramm nicht mehr aus. Die Türkei kündigte an, zwischen Teheran und der internationalen Staatengemeinschaft vermitteln zu wollen.

Die Revolutionsgarden testeten beim Manöver "Großer Prophet 4" mehrere der "Abschreckung dienende" Kurzstreckenraketen und Mehrfachraketenwerfer. Hussein Salami, Luftwaffenchef der paramilitärischen Garden, kündigte zugleich Tests von Mittelstreckenwaffen an. Am Montag würden zudem die als Langstreckenraketen klassifizierten Shahab-3-Raketen abgefeuert werden. Die Shahab-3 kann angeblich bis Israel fliegen. Iran entwickelt seit langen Mittel- und Langstreckenraketen. Wie zuverlässig diese sind, ist unklar.

Nach der Bekanntgabe Irans, dass es eine zweite Uran-Anreicherungsanlage in einem Bergmassiv nahe der Stadt Ghom baue, war die internationale Glaubwürdigkeit der Islamischen Republik weiter beschädigt worden. Die iranische Führung hatte das geheime Projekt gegenüber der IAEO offenbar nur öffentlich gemacht, weil die Enthüllung durch die westlichen Staaten ohnehin bevorstand. In der in einem Bergstollen verborgenen Anlage sollen 3100 Uran-Zentrifugen aufgestellt werden. Für eine industrielle Nutzung ist dies zu wenig.

Das lenkt den Verdacht erneut auf ein mögliches nukleares Militärprogramm. Teheran kündigte am Wochenende an, dass es die Anlage für die IAEA-Inspektoren öffnen werde. Eine "Inspektion der neuen Fabrik wird es in angemessener Zeit geben", sagte der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi.

US-Präsident Barack Obama bezeichnete die Existenz der zweiten Uran-Anlage eine "ernsthafte Gefahr für die weltweiten Bemühungen zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen". Die Genfer Gespräche vom Donnerstag seien deshalb "von zusätzlicher Dringlichkeit". Zugleich stellte er klar, dass es zur kompletten Offenlegung des iranischen Nuklearprogramms kommen müsse.

Sonst seien "Sanktionen, die wehtun", unvermeidlich. Er schloss auch einen Militärschlag nicht grundsätzlich aus. Sollte Teheran nicht einlenken, bewege es sich auf einen "Pfad zur Konfrontation". US-Verteidigungsminister Robert Gates bekräftigte im Gespräch mit dem Sender CNN, es wäre falsch, einen Militäreinsatz auszuschließen. Allerdings könne damit nur Zeit gewonnen werden.

Das mit Spannung erwartete Treffen in Genf könnte den Atomkonflikt weiter verschärfen. Aus US-Regierungskreisen verlautete, dass die "Sechsergruppe" aus den ständigen Sicherheitsrat-Mitgliedern und Deutschland den iranischen Vertretern eine Liste mit verdächtigen Objekten und den Namen von iranischen Atomspezialisten vorlegen wollten.

Die IAEA-Inspektoren müssten raschen Zugang zu diesen Orten und Personen bekommen. Iran hingegen zeigte im Vorfeld von Genf keine erkennbare Kompromissbereitschaft. Teheran hatte schon lange vorher angekündigt, das Atomthema komplett ausklammern zu wollen und stattdessen "globale Probleme" verhandeln zu wollen.

Präsident Mahmud Ahmadinedschad sagte, er erhoffe sich von dem Treffen "grundsätzliche Veränderungen". Die internationale Kritik an der langjährigen Geheimhaltung der zweiten Uranfabrik nannte er falsch. Es sei "legal", dass der Iran die IAEA 18 Monate vor der Inbetriebnahme informiert habe. Iran interpretiert die IAEA-Regeln anders als die Staatengemeinschaft.

Israel forderte "lähmende Sanktionen" gegen Iran. Zeitungsberichten zufolge soll Regierungschef Benjamin Netanjahu US-Politiker gefragt haben: "Wenn nicht jetzt, wann dann?", Israels Außenminister Avigdor Lieberman forderte eine "unmissverständliche Antwort" auf den Bau der Anlage. Die Uranfabrik stelle klar, dass Iran Atomwaffen bauen wolle. Die Türkei bot sich als Vermittler an, der Nachbarstaat Irans hat gute Beziehungen zu Teheran.

© SZ vom 28.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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