Asylverfahren:Richter fordern Schnelligkeit

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Flüchtlinge nach ihrer Entdeckung auf dem Mittelmeer. (Foto: Emilio Morenatti/AP)

Der EuGH dringt auf effiziente Asylverfahren zum Schutz von Flüchtlingen. Das Urteil trifft mitten in eine Debatte um eine Verlängerung der Frist zur Rückführung von Flüchtlingen in das Land ihrer Einreise.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Das oberste EU-Gericht dringt erneut auf effiziente Asylverfahren. Zum wirksamen Schutz von Flüchtlingen gehöre eine zügige Bearbeitung ihrer Anträge, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil entschieden. Es geht dabei um einen iranischen Staatsangehörigen, der in Österreich internationalen Schutz beantragt hat, aber nach Bulgarien abgeschoben werden sollte - in das Land seiner ersten EU-Einreise also, das nach der Dublin-III-Verordnung für sein Verfahren zuständig war. Österreich hatte von Bulgarien bereits grünes Licht für die Rückführung, gleichwohl ließ man die vorgesehene Sechs-Monatsfrist verstreichen. Laut EuGH ist damit nicht mehr Bulgarien, sondern Österreich für das Verfahren zuständig. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Verordnung, aber auch aus ihrem Zweck, eine möglichst rasche Klärung der Zuständigkeiten herbeizuführen.

Der EuGH hat damit bereits zum zweiten Mal klargestellt, dass solche Fristen ein entscheidendes Instrument zur Beschleunigung der Verfahren sind. In einem Urteil vom Juli ging es um die Vorgabe, dass Asylbehörden binnen drei Monaten an den Staat der ersten Einreise einen Antrag auf Rücküberstellung stellen müssen - sonst müssen sie das Verfahren behalten. Laut EuGH sind solche Fristen nicht bloße Richtwerte für die Verwaltung, sondern gewähren den Betroffenen echte Rechte, die sie vor Gericht durchsetzen können.

Das Urteil des EuGH trifft mitten in eine Debatte um eine Verlängerung der Sechs-Monatsfrist auf fünf bis zehn Jahre - oder gar ihre Streichung. Im November soll darüber bei einem Treffen der EU-Innenminister beraten werden, derzeit werden die Gespräche vorbereitet. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl wirft der Europäischen Kommission und der Bundesregierung vor, mit der geplanten Neufassung der Dublin-Verordnung die EuGH-Rechtsprechung aushebeln zu wollen. Günter Burkardt, Geschäftsführer der Organisation, warnt vor den Folgen einer solchen Änderung. Sollten die Fristen wegfallen, bestünde die Gefahr, dass in vielen Fällen Asylverfahren nicht zu Ende geführt und Fluchtgründe der Betroffenen nicht geprüft würden. Den Randstaaten der EU - die nach "Dublin" als Länder der ersten Einreise regelmäßig zuständig sind - würde durch eine Streichung der Abschiebefristen noch mehr Verantwortung für Asylverfahren aufgebürdet als bisher.

Dass der Umgang mit den Fristen keineswegs nur ein theoretisches Problem ist, lässt sich anhand der Zahlen vermuten, die aus einer Antwort der Bundesregierung vom August auf eine Anfrage der Linken stammen. Zwar würde man vermuten, dass Flüchtlinge umgehend abgeschoben werden, sobald das nach "Dublin" zuständige Einreise-Land ihre Aufnahme zugesagt hat. Tatsächlich aber gab es im zweiten Quartal 2017 rund 9000 Aufnahmezusagen, aber nur 1700 Überstellungen. Im ersten Quartal gehen die Zahlen sogar noch weiter auseinander - 11 000 Zusagen bei gut 1300 Überstellungen. Pro Asyl befürchtet, dass ohne den Druck der Bearbeitungsfristen viele Menschen ohne Verfahren bleiben - und letztlich in der Illegalität landen.

© SZ vom 26.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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