Asyl:Zu Recht desertiert

Ein Richterspruch aus Münster erinnert an dunkle Zeiten.

Von Bernd Kastner

Mit Urteilen über Urteile sollte man sich zurückhalten. Aber diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster darf man fürchterlich zynisch nennen.

Ein junger Syrer will nicht in den Krieg ziehen, er flieht nach Deutschland. Hier machen sich deshalb Verwaltungsrichter Gedanken über das Assad-Regime: Dem Mann würde bei Rückkehr zwar Folter drohen, keine Frage. Aber nicht aus politischen Gründen, die für vollen Flüchtlingsschutz nötig seien. Der Mann sei doch aus reiner Angst um sein Leben geflohen, und Assads Leute seien sicher so vernünftig, ihm auch keine oppositionelle Haltung zu unterstellen, so die Richter. Wenn sie ihn also bei Rückkehr foltern, dann nur, um die Schlagkraft der Armee zu erhalten. Und überhaupt, der Syrer hätte nicht einfach davonlaufen dürfen, er hätte seine Verweigerungsgründe vorab schriftlich mitteilen müssen. Dann hätte er in Deutschland bessere Karten.

Man ist erinnert an jene Jahre, als in der Bundesrepublik Nazi-Urteile gegen Wehrmachts-Deserteure Bestand hatten. Es hat lange, zu lange gedauert, bis dies korrigiert wurde. Solche Irrtümer darf die deutsche Justiz nicht wiederholen. Der Krieg in Syrien ist ein gewaltiges Verbrechen, sich ihm zu entziehen ist per se eine politische Handlung, so notwendig wie ehrenwert. Die syrischen Deserteure verdienen in Deutschland vollen Flüchtlingsschutz. Jetzt. Nicht erst posthum.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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