Asyl:Theoretisch recht streng

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Welche Regeln für den Umgang mit straffälligen Flüchtlingen in Deutschland gelten - und wie sie die Behörden am Ende tatsächlich anwenden.

Von Roland Preuss

Wie kann es sein, dass ein mutmaßlich wegen versuchten Mordes verurteilter Flüchtling unbehelligt als Asylbewerber in Deutschland leben kann? Kurz gefasst, lässt sich die Frage so beantworten: Es existieren strenge Vorschriften für den Umgang mit straffälligen Asylbewerbern, doch die Behörden müssen von diesen Straftaten erfahren - und dann eine Abschiebung auch durchsetzen können. Hätten Asylbehörden oder Polizei von einer kriminellen Vorgeschichte von Hussein K. gewusst, so hätte er sich nie länger im Land aufhalten dürfen.

Wer eine Straftat begeht, verwirkt den Flüchtlingsschutz

Das beginnt bereits bei der Einreise. Hussein K. gab an, Flüchtling zu sein. Im Asylgesetz heißt es dazu: Ein Ausländer ist nicht Flüchtling, "wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt" sei, dass er "vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat". Wenn Hussein K. in Griechenland zu zehn Jahren verurteilt wurde, "dann ist er von vorneherein vom Flüchtlingsschutz ausgeschlossen", sagt der Münchner Asylrechtsanwalt Hubert Heinhold. Als Straftäter könnte er an der Grenze zurückgewiesen werden - theoretisch.

Faktisch, so heißt es vom Bundesinnenministerium, komme dies aber bei Schutzsuchenden "derzeit nicht zur Anwendung". Später jedoch greift die Regel. Wenn ein Geflüchteter einen Asylantrag in Deutschland gestellt hat und eine frühere schwere Straftat bekannt wird, so hat dies gravierende Konsequenzen: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge würde den Antrag als unzulässig ablehnen, der Flüchtling müsste ausreisen. Noch strengere Maßstäbe gelten für Straftaten, die in Deutschland verübt wurden, hier hat die große Koalition die Regeln nach der Silvesternacht von Köln erst in diesem Frühjahr verschärft. Demnach können Haft- oder Jugendstrafen von einem Jahr zu einem Verlust des Flüchtlingsschutzes führen. Dies gilt auch für Minderjährige. Selbst wer bereits anerkannter Asylbewerber ist, kann nicht sicher sein vor ausländerrechtlichen Konsequenzen. Wenn eine frühere Straftat im Ausland bekannt wird, "käme eine Rücknahme der Asylanerkennung in Frage", sagt Heinhold. Raubt oder mordet jemand in Deutschland, so könne seine Berechtigung auch widerrufen werden. Dahinter steht die Logik, dass Menschen, die in Deutschland Schutz erhalten, diesen nicht missbrauchen dürfen.

Ein Automatismus ist dies jedoch nicht, vor Gericht wird stets abgewogen, etwa wie verwurzelt ein Flüchtling in Deutschland ist oder welche Gefahr ihn in seiner alten Heimat erwartet. Droht ihm die Todesstrafe, wird nicht abgeschoben. In der Praxis kommen weitere Schwierigkeiten hinzu: Fehlen Reisedokumente oder sperrt sich das Herkunftsland, geht gar nichts.

Und: Die Behörden müssen zunächst von den Straftaten erfahren. Selbst wenn Griechenland Hussein K. in die EU-Asyldatenbank Eurodac eingetragen hätte, so wäre er nicht als Straftäter erkennbar gewesen. In Eurodac werden Fingerabdrücke verzeichnet, aus Datenschutzgründen aber nicht einmal der Name, geschweige denn eine kriminelle Vergangenheit. Anders wäre es gewesen, wenn Hussein K. wegen Missachtung seiner Bewährungsauflagen zur Fahndung ausgeschrieben worden wäre. Dann hätten die Polizisten in Freiburg wohl schnell gewusst, mit wem sie es zu tun haben.

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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