Asyl:Nasibullah S. kehrt zurück

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Der im Juli zu Unrecht abgeschobene Afghane ist wieder auf dem Weg nach Deutschland. Doch ob er bleiben darf, ist noch nicht entschieden.

Nasibullah S. lacht und hält seine Flugtickets in der Hand. "Ich bin sehr, sehr glücklich", sagt er immer wieder - Stunden bevor sein Flugzeug in Kabul abhebt. Das Auswärtige Amt hat seine Rückreise nach Deutschland organisiert.

Nasibullah S. war am 3. Juli, gemeinsam mit 68 anderen Afghanen, nach Kabul abgeschoben worden. "Die Polizei kam in mein Zimmer", erzählt er, "ich sagte denen, ich habe aber demnächst einen Termin vor Gericht. Ich muss mit meiner Anwältin sprechen. Aber die Polizisten meinten: Deine Anwältin kann dir in dem Fall auch nicht helfen."

Der 20-jährige Afghane hatte im Dezember 2015 Asyl in Deutschland beantragt. Er gab an, von den Taliban bedroht worden zu sein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Antrag im Februar 2017 ab. In der Begründung hieß es, er müsse nicht in den gefährlichen Süden des Landes zurückkehren, sondern könne auch in anderen Regionen Afghanistans leben, die ausreichend sicher seien. Gegen den ablehnenden Bescheid klagte S. vor dem Verwaltungsgericht Greifswald. Doch obwohl das Verfahren noch nicht abgeschlossen war und das Gericht ihn für den 11. Juli 2018 vorgeladen hatte, wurde er am 3. Juli nach Afghanistan abgeschoben. Das Innenministerium gestand nach der Enthüllung des NDR ein, Nasibullah S. sei zu Unrecht abgeschoben worden, und veranlasste seine Rückkehr.

Die ist schwierig. Der Weg ist alles andere als direkt, denn Nasibullah S. muss einen Zwischenstopp in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad einlegen. Dort soll er in der deutschen Botschaft sein Visum bekommen, denn die Vertretung in Kabul ist seit dem Anschlag im Mai 2017 immer noch kaum arbeitsfähig. Wann es von dort weitergeht, ist jedoch noch unklar.

Nach Hause zu seiner Familie reiste er nicht - das wäre zu gefährlich gewesen

Als Asylbewerber kehrt er dann in seine Unterkunft nach Neubrandenburg zurück. Dann wird auch sein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Greifswald fortgesetzt. Seine Anwältin Sonja Steffen sagte NDR und Süddeutscher Zeitung, sie sei froh, dass es gelungen ist, die Rückreise zu organisieren. Sie kritisierte erneut die unrechtmäßige Abschiebung, "ein Vorgehen der Behörden, das mit vielen Fehlern verbunden gewesen ist".

Die erzwungene Rückkehr nach Afghanistan empfand Nasibullah S. als sehr belastend. Er landete in Kabul, wo er niemanden kennt. Er selbst ist Paschtune und seine Familie lebt im Süden des Landes, in einer der gefährlichsten Gegenden. Weil er seine Angehörigen nicht zu Hause treffen kann, verabredete er ein Wiedersehen in der Stadt Kandahar. In diesen Tagen meldete sich auch erstmals die deutsche Botschaft bei ihm und teilte ihm mit, dass er zurück nach Deutschland kommen dürfe. Er reiste deswegen Ende Juli zurück nach Kabul und wartete auf nötige Dokumente für die Rückreise. Stunden vor dem Rückflug sitzt er auf dem Balkon des Kabuler Hotels, in dem die abgeschobenen Flüchtlinge aus Deutschland ein paar Tage untergebracht werden. Nasibullah S. wagt sich kaum vor die Tür: "Ich habe große Angst, immer wenn ich auf die Straße gehe. So wie jeder in Kabul. Denn die Stadt ist überall unsicher, ständig gibt es Explosionen, Selbstmordanschläge."

Ob er in Deutschland bleiben darf, darüber entscheidet nun das Verwaltungsgericht in Greifswald. Seine Anwältin erwartet die Gerichtsverhandlung Anfang September. Nasibullah S. hat Angst, er könnte nach seiner Rückkehr erneut abgeschoben werden. Er mag darüber aber im Moment nicht nachdenken. "Mein Plan ist: Ich will studieren und arbeiten. In Deutschland zur Ruhe kommen", sagt er.

© SZ vom 09.08.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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