Asien:Allein gegen den Stärksten

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Der philippinische Präsident Duterte besucht China, das in der Region immer größere Ansprüche geltend macht - derzeit lässt Peking an drei verschiedenen Fronten im Südchinesischen Meer die Muskeln spielen.

Von Arne Perras, Singapur

Als Präsident Rodrigo Duterte im Oktober 2016 zu seinem ersten Staatsbesuch nach Peking aufbrach, machte der Philippiner sein Ziel sehr deutlich: Er wollte das zerrüttete Verhältnis zu China kitten. Und dafür sparte er nicht mit Schmeicheleien. Fast drei Jahre später reist Duterte nun bereits ein fünftes Mal zum großen Nachbarn. Doch allein die große Freundschaft zu beschwören, wird bei der Visite, die am 28. August beginnt, kaum mehr reichen. Der philippinische Staatschef steht zu Hause unter wachsendem Druck, im Streit um maritime Ansprüche einen härteren Kurs gegenüber Peking einzuschlagen.

Bisher hat er dies vermieden mit dem Hinweis, Manila dürfe keinen Krieg mit China riskieren, weil der ohnehin nicht zu gewinnen wäre. Immerhin hat er nun vor der Abreise seinen Landsleuten zugesichert, dass er das wichtigste Thema nicht mehr umschiffen wolle: "Ich gehe nach China, um zu reden. Habe ich nicht versprochen, dass ich vor Ende meiner Amtszeit über das chinesische Meer reden will?" Er meinte, um genau zu sein, das Südchinesische Meer, wo sich ein halbes Dutzend Staaten um Rohstoffe, Fischgründe, Riffe und Inseln streitet.

China will seine Kontrolle dort ausweiten und festigen, die Vereinigten Staaten wollen ihre traditionelle Rolle als Hüter der Weltmeere nicht verlieren. Und mitten drin versucht der Inselstaat der Philippinen, von seinen maritimen Ansprüchen zu retten, was noch zu retten ist. Leicht wird das nicht angesichts des Drucks, mit dem Peking seine historischen Ansprüche gemäß der sogenannten "Nine Dash Line" einfordert, einer Strichellinie, die beinahe das ganze Meeresgebiet umfängt.

Die USA verlieren in der Region als Gegenwicht zu China rapide an Bedeutung

Chinas maritimer Kurs wird unter allen Nachbarn des Südens als rabiat bis aggressiv empfunden, auch wenn das nicht alle Regierungen laut artikulieren. Wer will sich schon offen anlegen mit dem Stärksten auf dem Schulhof? So ist die Stimmung in einer Region, in der weder ein ausgeprägter Wille noch die Fähigkeit erkennbar ist, sich geschlossen gegen Peking zu stemmen. Und in keinem dieser Länder scheinen die USA unter Donald Trump noch den Eindruck eines verlässlichen Partners zu vermitteln. Die USA verlieren als Gegenwicht rapide an Bedeutung.

Schon vergangenen November demonstrierten die Menschen auf den Philippinen gegen Pekings Politik im Südchinesischen Meer. Bei seinem nächsten China-Besuch soll Präsident Rodrigo Duterte nun einen härteren Kurs einschlagen. (Foto: Jes Aznar/Getty Images)

Man sieht dies auch an der Außenpolitik der Philippinen: Benigno Aquino, der Vorgänger Dutertes, zeigte noch deutlich mehr Mut, Peking die Stirn zu bieten, was die Beziehungen zwischen Manila und Peking dann auch stark zerrüttete. Die Aquino-Regierung hatte beschlossen, im Streit um das Meer das internationale Schiedsgericht in Den Haag anzurufen. Und die Richter befanden 2016, dass den historischen Ansprüchen Pekings die rechtliche Basis fehle. Für Manila war das auf dem Papier ein günstiges Resultat, brachte aber keine Vorteile. Schon 2012 hatte die Großmacht mit einem Boykott philippinischer Bananen gezeigt, dass es sehr schmerzen kann, sich gegen Peking zu stellen. Und durch das Aufschütten künstlicher Inseln, die zunehmend militarisiert werden, hat China längst Fakten geschaffen, die nur schwer aus dem Weg zu räumen sind.

Peking fühlt sich stark genug, an drei Fronten auf dem Meer die Muskeln spielen zu lassen

Kann Duterte für sein Land noch einen gesunden Abstand etablieren? Seine anfängliche Politik, vom traditionellen Bündnispartner USA abzurücken und sich stattdessen in die Arme Chinas zu werfen, hat nicht dazu geführt, die Ängste der Philippiner zu mindern, im Gegenteil: 87 Prozent der Bürger befanden im Juni, Duterte sollte den Schiedsspruch aus Den Haag in Peking ansprechen. Dutertes Bemerkungen klangen in den letzten Tagen so, als habe er diesen dringenden Wunsch verstanden. Was das allerdings praktisch bedeutet, ist völlig unklar. Wird Duterte nun wieder mit einer engeren Allianz zu den Amerikanern drohen, für die er wenig Sympathie zeigte? Der Politologe Richard Heydarian in Manila bezweifelt, dass Duterte seine "Achse nach Peking" aufs Spiel setzen wird.

Auch der Staat Vietnam ist in massive maritime Streitigkeiten mit China verwickelt, das Misstrauen gegenüber dem nördlichen Nachbarn ist dort noch viel tiefer verwurzelt als auf den Philippinen. Das Potenzial für anti-chinesische Proteste im vietnamesischen Volk gilt als groß, was an der kriegerischen Geschichte liegt, die beide Länder verbindet. Doch jede mögliche Eskalation bedeutet für Hanoi nicht nur ein militärisches Risiko. Das Regime will auch die Kontrolle über den Volkszorn nicht verlieren, wie die Forscherin Huong Le Thu vom Australian Policy Research Institute jüngst betonte. 2014 zündeten aufgebrachte Vietnamesen Dutzende ausländische Fabriken an, nachdem Peking eine Ölplattform in ein Gebiet gesteuert hatte, das Hanoi beansprucht. Die Wut entlud sich nicht nur gegen chinesische, sondern auch andere asiatische Unternehmen. Das Regime zeigte sich erschrocken. Hanoi fürchtet größere Demonstrationen, weil diese sich womöglich auch gegen die eigene Regierung wenden könnten.

Peking aber fühlt sich stark genug, an drei Fronten auf dem Meer die Muskeln spielen zu lassen, es steuerte geologische Forschungsschiffe in die 200-Meilen-Zonen Vietnams, Malaysias und der Philippinen. In diesen sogenannten "Exclusive Economic Zones" (EEZ) besitzen die einzelnen Staaten nach internationalen Regeln die Hoheit über ihre maritimen Ressourcen, Schiffe anderer Länder dürfen dort ohne Absprachen oder Verträge keine Bodenschätze erkunden. Der Analyst Collin Koh von der Rajaratnam School of International Studies in Singapur hat solche Vorstöße Chinas als eine Form der "Kanonenbootdiplomatie" eingestuft.

Das Archivbild vom April 2017 zeigt philippinische Militärs am Ufer des Südchinesischen Meeres. Im Hintergrund fahren chinesische Schiffe vorbei. Im Streit um das Südchinesische Meer hat die philippinische Regierung eine Warnung an China ausgesprochen. Künftig müssten sich alle ausländischen Schiffe vor einer Passage durch die Gewässer der Philippinen ankündigen und eine Erlaubnis einholen. (Foto: Bullit Marquez/dpa)

Besonders heikel erscheint der Konflikt nahe der Vanguard Bank in den westlichen Spratly-Inseln, wo Hanoi und Peking vor einem Monat jeweils mehrere bewaffnete Schiffe versammelten, die sich umkreisten. Beide Seiten spielten die Konfrontation herunter, doch nun ist Hanoi alarmiert, weil das Forschungsschiff, die Haiyang Dizhi 8, nach kurzer Absenz nach Vanguard Bank zurückgekehrt ist, samt Eskorte. Am Wochenende wurde es 185 Kilometer südöstlich der vietnamesischen Küste geortet. Analysten glauben, dass Peking auf diesem Weg versucht, Vietnams Pläne zur Ölförderung zu kontern. Rund um die Spratly-Inseln lagern große Rohstoffvorkommen, und die Jagd hat längst begonnen.

Washington prangert die chinesischen Aktivitäten als Einschüchterung der Nachbarn an, die von der legitimen Ausbeutung ihrer Ressourcen abgehalten würden. Peking wirft den Amerikanern vor, Zwietracht zu säen und Chaos ins Südchinesische Meer zu tragen.

Mit Manila will Peking eine gemeinsame Ausbeutung von Bodenschätzen aushandeln. Doch auf den Philippinen befürchten viele, dass sich der eigene Staat so um große Teile seiner Reichtümer bringt. Wie umkämpft die Schätze des Meeres sind, zeigt sich an gefährlichen Manövern von Fischereiflotten. Als ein chinesischer Trawler am 9. Juni ein philippinisches Fischerboot rammte, versenkte und sich davonmachte, ohne den Schiffbrüchigen zu helfen, war die Empörung auf den Philippinen groß. Chinesische Flaggen brannten.

Duterte allerdings war sehr bemüht, die Kollision, die fast 22 Seeleute das Leben gekostet hätte, herunterzuspielen. Er sprach von einem "kleinen maritimen Zwischenfall". Eine harmlosere Deutung war nur noch in Peking zu hören. Diplomaten nannten die Kollision einen "gewöhnlichen maritimen Verkehrsunfall".

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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