Artenschutz:Dickhäuter gesucht

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Das Breitmaulnashorn soll auf eigenwillige Art gerettet werden.

Von BERND DÖRRIES

Man kann sagen, dass Sudan ein wenig so tut, als würde noch was gehen. Zumindest ist das Nördliche Breitmaulnashorn nun auf Tinder vertreten - mit Profil auf einer Dating-Seite im Netz, die im Ruf steht, eher etwas für das schnelle Abenteuer zu sein. Sudan lässt dort mitteilen, was er sich wünscht: Nachwuchs. "Das Überleben meiner Art hängt von mir ab."

Derzeit stehen 23 928 Arten auf der Roten Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen. Manche, wie das Nördliche Breitmaulnashorn, sterben der Welt vor der Nase weg, sagen Tierschützer. Weshalb man jede Plattform nutzen wolle, um für den Schutz zu werben, auch eine Dating-Seite. In der Realität ist das Nashorn Sudan zu alt, um noch für Nachwuchs sorgen zu können, sein Sperma ist in keinem guten Zustand, für den 90-minütigen Nashornsex sind die Hinterbeine zu schwach. Er wird mit der Erhaltung seiner Art nichts mehr zu tun haben, nur noch als Maskottchen für Spendenkampagnen dienen. Diesmal wirbt das kenianische Ol-Pejeta-Reservat auf Tinder für die Finanzierung einer künstlichen Befruchtung, die von den Wissenschaftlern am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin entwickelt wurde. Deren Abteilung Reproduktionsmanagement ist eine Art Kinderwunschklinik für Tiere. Elefanten im Disney-Zoo haben sie gezeugt und auch sieben Südliche Breitmaulnashörner. Nun soll auch das Nördliche an die Reihe kommen und damit gerettet werden.

"Im Herbst wollen wir in Kenia Eizellen entnehmen", sagt Steven Seet vom Leibniz-Institut. Die Zelle würde mit eingefrorenem Sperma befruchtet und dann einem Südlichen Breitmaulnashorn-Weibchen eingesetzt. Eine artenübergreifende Leihmutterschaft. Etwa zehn Millionen Euro soll die Prozedur kosten. Viel Aufwand für ein Tier, bei dem der Laie das Nördliche kaum vom Südlichen unterscheiden kann. "Wir müssen die Ressourcen verteidigen, alle sind wichtig für das natürliche Gleichgewicht", sagt Seet.

Vor sechzig Jahren gab es noch 2000 Nördliche Breitmaulnashörner, umgangssprachlich auch Weiße Nashörner genannt, vor allem in Uganda und im Kongo. Die belgischen Kolonialherren ließen sie genauso töten wie die Schlächter der Lord's Resistance Army, die mit dem Profit aus den Verkäufen des Nashorns ihre Waffen kauften. Etwa 70 000 Euro gibt es für ein Kilo, eine sagenhafte Summe.

Die drei letzten Nördlichen Breitmaulnashörner stammen aus einem tschechischen Gehege und wurden 2009 nach Kenia gebracht, in der Hoffnung, dass ihnen dort die Vermehrung gelinge. Nun ist auch die geplante Leihmutterschaft nicht ohne Risiko: Die Eizellen liegen 1,5 Meter tief im Inneren der Nashorn-Kuh, die Entnahme ist riskant. Für den Fall des Scheiterns haben Wissenschaftler die Züchtung von Stammzellen ins Auge gefasst. Dabei werden aus Hautzellen Spermien und Eizellen gewonnen. Japanischen Forschern ist das bei Mäusen gelungen.

Kritiker befürchten ein Ende des Naturschutzes, wenn sich jede Art einfach wiederherstellen ließe. Auch deshalb gibt es kaum Geldgeber. "Die Reproduktion ist aufwendig, aber ein fantastisches Back-up für Arten, die ausgerottet wurden", sagt der Wissenschaftler Seet. Es gebe ungeahnte Möglichkeiten - vom Mammut bis zu seltenen Pflanzen.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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