Arbeitsrecht:Wenn das Virus im Urlaub zuschlägt

Lesezeit: 2 min

"Juristisch spannend": Das Bundesarbeitsgericht hat darüber verhandelt, ob Quarantäne-Tage im Urlaub als Krankheitstage Arbeitnehmern wieder gutgeschrieben werden müssen. (Foto: Cavan Images/imago images)

Der EuGH soll klären, ob Isolationstage im Zuge einer Corona-Infektion zur Krankheit zählen - und wieder dem Urlaubsanspruch gutgeschrieben werden müssen.

Von Helena Ott

Bei einem positiven Corona-Test reicht es inzwischen, fünf Tage zu Hause zu bleiben. Im strengen Corona-Frühling 2020 hieß ein positives Ergebnis noch mindestens zehn Tage häusliche Quarantäne; ohne Einkaufen, Sport im Freien oder Spazierengehen. Was aber, wenn die häusliche Quarantäne auch noch auf die lang ersehnten Urlaubstage fällt? Hat man Fieber, Husten, Halsschmerzen, ist die Sache eindeutig: Dann können sich Angestellte vom Hausarzt oder der Hausärztin krankschreiben lassen. Und der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, die betreffenden Urlaubstage gutzuschreiben. Ein neue Chance, die verpassten Urlaubstage zur Erholung zu nutzen. Für den Fall aber, dass die eigene Infektion völlig symptomlos durch den Körper wandert, gilt das bisher nicht. Zumindest fehlt es bis dato an einer bundeseinheitlichen Regelung.

Doch das könnte sich bald ändern. An diesem Dienstag haben zu dieser Frage erstmals Richterinnen und Richter des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt verhandelt. Zuvor hatte ein Schlosser aus Nordrhein-Westfalen, der 2020 acht Tage seines Urlaubs in Quarantäne verbrachte, auf Ersatz geklagt. Das örtliche Arbeitsgericht lehnte seine Forderung zunächst ab. Aber der Schlosser blieb beharrlich und legte Berufung ein. Mit Erfolg: Das Landesarbeitsgericht Hamm entschied im Januar, dass es in Quarantäne, ähnlich wie bei einem Krankheitsausbruch, nicht möglich sei, für Entspannung und Freizeit zu sorgen. Die Urlaubstage müssten demnach erstattet werden.

"Die Arbeitgeberseite wollte das wohl nicht auf sich sitzen lassen und ist in Revision gegangen", sagt die Professorin für Arbeitsrecht von der Universität Gießen, Lena Rudkowski. Damit landete das Verfahren nun vor dem höchsten deutschen Arbeitsgericht. Und das ist gut für den Rechtsfrieden, findet Rudkowski: "Es geht dabei auch um Gerechtigkeit" Dass künftig bei vergleichbaren Fällen auch gleich entschieden werde - egal, ob vor Gericht in Hamm, Regensburg oder Dresden. Gleichzeitig gebe es Arbeitnehmern künftig die Gewissheit, welche Ansprüche sie geltend machen können und welche nicht.

Ist die Quarantäne Teil der Erkrankung oder nicht?

Es gibt auch Juristen, die andere Schlüsse aus der Sachlage ziehen: Die Anwälte des Betriebs, bei dem der nordrhein-westfälische Schlosser angestellt ist, plädieren dafür, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet werden können, den Urlaub zu erstatten. Paragraph 9 Bundesurlaubsgesetz sei ihrer Auffassung nach nicht auf die Anordnung zu häuslicher Quarantäne anwendbar. Es handle sich schlicht nicht um eine Erkrankung, wie es wörtlich im Gesetz steht. Zudem könnten Arbeitgeber nicht für den "Urlaubserfolg" ihrer Angestellten verantwortlich gemacht werden.

Eine Prognose, wie die Bundesrichter entscheiden, wagte die Rechtsprofessorin Lena Rudkowski am Dienstagmorgen nicht. Zurecht, wie sich herausstellen sollte. Beide Meinungen ließen sich begründen, "deshalb ist der Ausgang juristisch ja so spannend", sagte Rudkowski. Tatsächlich haben sich die Erfurter Richter entschieden, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einzuschalten. Er soll die Frage klären, ob aus dem Europarecht die Verpflichtung des Arbeitgebers abgeleitet werden kann, die Urlaubstage "nachzugewähren".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: