Arbeitsmarkt:Plötzlich Traumjob

Lesezeit: 2 min

Früher eher unbeliebte Jobs werden wegen Corona plötzlich begehrt.

Von Benedikt Peters

Es gibt ja diese Berufe, die ein wenig mit ihrem Image zu kämpfen haben. Wer sich, als man noch feiern durfte, auf einer Party als Sachbearbeiterin im Einwohnermeldeamt outete oder als Kassierer im Supermarkt, der musste nicht fürchten, dass er von nun an als Stargast des Abends galt; dass ihn Bewunderer umringten und sich erkundigten, ob man nicht mal ein Praktikum vermitteln könne. Ganz so wird es vermutlich auch in Zukunft nicht kommen, und doch vollzieht sich gerade der Corona-Pandemie wegen ein Wandel: Jobs, die früher kaum einer machen wollte, sind plötzlich begehrt.

Die Supermarktkassierer und -kassiererinnen etwa gelten schon seit der ersten Infektionswelle im März als "systemrelevant". Nun zeigt sich, dass immer mehr Menschen auch nach solchen und ähnlichen Jobs suchen. Das meldet das Stellenanzeigen-Portal Indeed, mit 4,3 Millionen monatlichen Nutzern gilt es als der größte Anbieter in Deutschland. Anfang November, als die zweite Corona-Welle mit voller Wucht über das Land hereingebrochen und die Kontaktbeschränkungen in Kraft getreten waren, schnellten die Suchanfragen dort in ganz bestimmten Branchen in die Höhe. Unter den fünf Arbeitgebern mit den stärksten Anstiegen fanden sich gleich drei große Supermarktketten. Ebenso hoch im Kurs: DHL und die Deutsche Post, der Onlinehändler Amazon, das Gesundheitswesen und der öffentliche Dienst, zu dem auch jene Sachbearbeiter im Einwohnermeldeamt zählen.

Den Grund dafür liefern die Analysten des Onlineportals gleich mit: Angesichts der Wirtschaftskrise legen die Bewerber demnach wieder mehr Wert auf sichere Arbeitsplätze. Diese vermuten sie in den Branchen, die nur wenig von der Pandemie betroffen sind oder von ihr sogar profitieren, wie etwa die Paketzusteller und der Onlinehandel. Die Leute kaufen nun eben noch lieber im Internet ein als in der Fußgängerzone.

Ob das Kalkül der Jobsuchenden aufgeht, ist gleichwohl alles andere als gewiss. Die Arbeitsbedingungen bei Paketzustellern und im Onlinehandel sind häufig prekär, die Beschäftigten klagen über schlechte Bezahlung, zu viele Überstunden, oftmals auch über einen aufgeweichten Kündigungsschutz.

Im öffentlichen Dienst, zu dem so verschiedene Berufe wie Müllwerker, Verwaltungsangestellter und Erzieher gehören, sind die Zustände insgesamt zwar deutlich besser. Trotzdem sind die Arbeitsplätze dort nicht so sicher wie ihr Ruf. Kündigungen sind zwar deutlich seltener, die Angestellten sind davor besser geschützt als in der Privatwirtschaft. Dafür gibt es im öffentlichen Dienst aber mehr befristete Arbeitsverträge - nach Angaben der Gewerkschaft Verdi betrifft das jede zweite Neueinstellung. "Da ist überhaupt keine Jobsicherheit gegeben", empörte sich kürzlich Verdi-Chef Frank Werneke.

Trotz allen Übels rund um die Corona-Krise hält das Branchenportal Indeed aber auch eine gute Nachricht bereit. Es teilt mit, dass nun wieder deutlich mehr Stellen ausgeschrieben werden als im Sommer und im Frühjahr. Das passt zur wirtschaftlichen Entwicklung und bedeutet: Es geht langsam, aber sicher wieder aufwärts.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: