Apotheken:Die Macht der Lobby

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Gesundheitsminister Jens Spahn will ausländischen Versandhändlern die Rabatte auf Medikamente verbieten. Mit seiner Politik bedient er eine kleine, aber mächtige Klientel, statt sich ums Wohl der Patienten zu kümmern.

Von Kristiana Ludwig

In der deutschen Gesundheitspolitik werden zuweilen Schlachten geschlagen, und zwar an unterschiedlichen Schauplätzen. Da ringen die Krankenkassen mit den Pharmafirmen oder die Pfleger mit den Krankenhäusern, und meistens geht es um Geld. Besonders kampferfahren sind die Apotheker. Ihre Hauptgegner sind seit einigen Jahren die Versandhändler, weil diese den Patienten Medikamente per Post schicken und so vermeintlich das Geschäft der Pharmazeuten hinter der Ladentheke bedrohen.

Die Truppen der Apotheker sind gut aufgestellt. Sie führen in jeder Stadt und in fast jedem Dorf täglich Tausende Gespräche mit Patienten - die zugleich potenzielle Wähler sind. Eindringlich warnen sie vor dem Internethandel, der Apotheken auf dem Land vernichten könne und die Regionen ohne Medizin zurücklasse. Der breite Einfluss der Apotheker ist ihre Waffe. Auf Politiker kann sie sehr bedrohlich wirken.

Gerade in Wahlkampfzeiten erinnern sich einige Parteien deshalb plötzlich an die Macht der Apothekerschaft. Früher galt einmal die FDP als "Apothekerpartei". Im vergangenen Bundestagswahlkampf versprach ihnen vor allem die Union ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten - obwohl dies nach europäischer Rechtssprechung gar nicht möglich wäre. CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn ist von diesem radikalen Versprechen deshalb wieder abgerückt. Doch auch sein neuer Vorschlag, mit dem er jetzt den Apothekenmarkt reformieren will, gleicht weitgehend dem, was die Apothekerlobby kürzlich selbst gefordert hatte: Spahn will ausländischen Versandhändlern jetzt die Rabatte auf Medikamente verbieten.

Spahns Vorstoß ist für die europäischen Nachbarländer ein Affront

Gegenüber den europäischen Nachbarländern ist das ein Affront. Schließlich läuft gegen Deutschland wegen genau dieser starren Preispolitik bereits ein Vertragsverletzungsverfahren. Ein Ultimatum der EU-Kommission läuft in sieben Wochen ab. Doch ganz offensichtlich will die Union lieber noch einmal vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, bevor sie den Apothekern ihren Wunsch abschlägt.

Spahn bedient mit seiner Politik eine Lobby, statt seiner eigentlichen Aufgabe als Minister nachzukommen. Die wäre nämlich, eine kluge Reform des Apothekenwesens zu erarbeiten, die den Patienten eine verlässliche Versorgung mit Medikamenten garantiert. Denn tatsächlich sind einige kleine Apotheken am Stadtrand schon heute in ihrer Existenz bedroht. In ihrem Umkreis wohnen viele Menschen, die in ihre Büros im Stadtkern pendeln - und dort, nach Feierabend, auch ihre Rezepte einlösen. Dass eine Apotheke in der Nähe der eigenen Wohnung wichtig ist, spüren viele von ihnen erst, wenn sie in Not geraten: Wenn das Kind nachts dringend ein Zäpfchen braucht oder wenn die Kopfschmerzen nicht mehr auszuhalten sind. Dann wünschen auch sie sich eine Apotheke um die Ecke.

Statt solche Pharmazeuten in schwierigen Lagen gezielt zu fördern, setzt Spahn weiter überwiegend auf das Prinzip Masse: Je mehr Packungen eine Apotheke abgibt, desto mehr verdient sie. Profiteure sind die Stadtapotheken, die viel Laufkundschaft haben. Sie werden dadurch schnell zu Goldgruben. So laut die Apothekerverbände auch jammern, auf diese Ungerechtigkeit zwischen Stadtkern und Stadtrand weisen sie selten hin. Spahn wäre gut beraten, sich aus der Lobbyschlacht herauszuhalten - und Politik zu machen.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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