Der Castor-Transport mit hoch radioaktivem Atommüll für das Zwischenlager Gorleben ist am Freitag schon kurz nach dem Start in Frankreich von Atomkraftgegnern aufgehalten worden. In der Nähe von Caen in der Normandie ketteten sich fünf Aktivisten an die Gleise, wie eine Polizeisprecherin am Freitag der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Einer von ihnen stamme aus Deutschland. Bei den Demonstranten, handelte es sich um Mitglieder der französischen Anti-Atom-Organisation GANVA. Die Gruppe meldete am Nachmittag auf ihrer Website, ihre Anhänger hätten den Castor-Zug zum Stillstand gebracht.
Spezialkräfte durchtrennten die Rohre, mit denen sich die Aktivisten festgekettet hatten. Zwei Stunden später konnten die ersten beiden abgeführt werden, wie die Polizei weiter mitteilte. Gegen 19 Uhr rollte der Zug dann weiter in Richtung Deutschland. Die Castor-Behälter enthalten 123 Tonnen Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken, der in der Wiederaufarbeitungsanlage im nordfranzösischen La Hague lagerte. Der Transport ins Zwischenlager Gorleben in Niedersachsen muss etwa 1500 Kilometer zurücklegen. Er wird frühestens Samstag am späten Vormittag die Grenze passieren und nicht vor dem Nachmittag das Wendland erreichen.
Der Zug mit der strahlenden Fracht wird aller Voraussicht nach auch durch Rheinland- Pfalz rollen. Um die Strecke zu sichern, sind nach Gewerkschafts-Angaben vom Freitag rund 2000 Beamte im Land im Einsatz. Der Schwerlastzug mit den elf Spezialbehältern hatte um 14:20 Uhr planmäßig den Bahnhof von Valognes verlassen. Es waren lediglich ein paar Dutzend Demonstranten am Ort.
An der ersten Blockadeaktion beteiligten sich nach Polizeiangaben etwa 30 Aktivisten. "Es dauert eine Weile, die Angeketteten von den Schienen zu befreien, da sie ihre Hände in Metallröhren unter den Gleisen haben", sagte die Sprecherin. Die französische Gruppe "Groupe d'actions non-violentes antinucléaires" (auf deutsch etwa "Aktionsgruppe nicht gewalttätiger Atomkraftgegner") bekannte sich zu der Blockade. In der Nähe des deutschen Zwischenlagers werden am Wochenende die größten Anti-Atom-Demonstrationen seit Jahrzehnten erwartet. Bereits zur zentralen Kundgebung am Samstag rechnen Organisatoren mit 30.000 Teilnehmern. Die Polizei bereitet sich außerdem auf gewalttätige Störer entlang der Strecke vor. Mehr als 16.000 Einsatzkräfte sollen den Transport sichern.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) rief die Atomkraftgegner auf, sich friedlich zu verhalten. In Deutschland wollen die Organisatoren der Anti-Atom-Kampagne "Castor schottern" trotz der Warnungen der Polizei Steine aus dem Gleisbett der Transportstrecke entfernen. Die Polizei hat angekündigt, die Gruppe besonders im Auge zu behalten. Mittlerweile haben etwa 1500 Einzelpersonen und mehr als 280 Gruppen den Internet- Aufruf der Kampagne unterzeichnet. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg will gegen alle Unterzeichner Ermittlungsverfahren einleiten. Unterdessen forderte Grünen-Parteichef Cem Özdemir Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, während des Castor-Atommülltransports in die Region Gorleben zu kommen.
"Ich finde, wenn Frau Merkel der Meinung ist, die Laufzeit für Atomkraftwerke muss verlängert werden, soll sie sich im Wendland blicken lassen und das Gespräch suchen." Die Grünen- Spitze kam zu einer Vorstandssitzung in der Nähe des Zwischenlagers zusammen. Özdemir und Co-Parteichefin Claudia Roth kündigten an, sich an Blockaden zu beteiligen. Nach Angaben von Greenpeace ist die Temperatur der Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll im Vergleich zu den vergangenen Jahren gestiegen. Das hätten thermographische Aufnahmen ergeben. Jeder Castor enthalte so viel radioaktives Material wie bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl freigesetzt worden sei, sagte Thomas Breuer von der Umweltorganisation.
Die Gesellschaft für Nuklear-Service, die für das Zwischenlager Gorleben verantwortlich ist, teilte dagegen mit, dass die zu erwartende Strahlung weit unter den gesetzlichen Grenzwerten liege. Röttgen verteidigte den Castor-Transport als unverzichtbar. Deutschland sei verpflichtet, die radioaktiven Abfälle, die bei der Nutzung der Kernenergie anfielen, im eigenen Land zu entsorgen. "Wir können die Lasten der Vergangenheit nicht anderen aufbürden, für die sichere Lagerung des Atommülls sind wir verantwortlich", sagte er.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft und der Bund der Steuerzahler forderten die Energiekonzerne auf, sich an den Kosten für den Atommülltransport zu beteiligen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bekräftigte hingegen erneut seine Forderung, dass der Bund Kosten übernehmen soll. Die SPD-geführten Länder konnten sich unterdessen im Bundesrat nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, dass die Länderkammer bei der Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke mitbestimmen muss. Sie kündigten Klagen beim Bundesverfassungsgericht an.