Anti-Atom-Demonstration:Einfach mal abschalten

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Anti-Atom-Gruppen haben für diesen Samstag zu einer Großdemo aufgerufen - und die Grünen schauen zu.

M. Bauchmüller und D. Brössler

Wenn es um den Weg zum Atomausstieg geht, soll sich keiner verirren. Das ist den Grünen wichtig, weshalb sie ihren Anhängern gerne behilflich sind.

"Du willst zur großen Anti-Atom-Demo am 5. September in Berlin und weißt nicht wie?", fragen sie seit einiger Zeit auf ihrer Internet-Seite und bieten für diesen Fall "hilfreiche Tipps und Infos".

Die Demonstration an diesem Samstag in Berlin - Motto: Mal richtig abschalten - berührt ein Kernanliegen der Grünen. Drei Wochen vor der Bundestagswahl kommt das nicht eben ungelegen. Die Spitzenkandidaten Renate Künast, Jürgen Trittin und fast die ganze Führungsspitze der Partei werden in Berlin mitmarschieren. In einem Beschluss rief der Parteivorstand die Anhänger auf: "Sagt gemeinsam mit uns Schwarz-Gelb: Nein danke!"

Grüne: Wir werden Flagge zeigen

Genau auf dieses parteipolitische Signal legen die Veranstalter der Demonstration aber offenbar keinen Wert. So soll auf der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor Fritz Pothmer von der Bäuerlichen Notgemeinschaft zu Wort kommen ebenso wie Lauri Myllyvirta von Greenpeace Finnland, auch der eine oder andere Gewerkschafter - aber kein Vertreter der Grünen oder irgendeiner anderen Partei, ungeachtet ihrer Haltung zur Kernkraft.

Öffentlich üben die Grünen daran keine Kritik. "Wir haben auch zu dieser Demonstration aufgerufen, wir haben dafür mobilisiert, wir werden bei dieser Demonstration deutlich Flagge zeigen", sagt Parteichefin Claudia Roth. Zu hören ist von grüner Seine dennoch, die Entscheidung der Veranstalter sei "schade". Die Lage sei zu ernst für "solche kleinkarierten Diskussionen".

Auch Künast ist ganz diplomatisch. "Natürlich hätte ich gerne geredet", sagt sie. Andererseits sei aber nichts gegen eine Demonstration einzuwenden, auf der mal kein Politiker reden dürfe. Und schließlich folge der Treck nach Berlin einer "guten alten Tradition".

Wie wahr. Ihre Traktoren wussten die Wendländer immer gut zu nutzen. Sie sind fester Bestandteil der alljährlichen Anti-Castor-Demos, in einer langen Schlange zogen sie Ende der siebziger Jahre schon nach Hannover, aus Protest gegen das "nukleare Entsorgungszentrum", das seinerzeit in Gorleben entstehen sollte.

Gereizte Stimmung

Ganz ähnlich soll es auch diesmal sein. Gut 100 Traktoren sind schon seit vorigem Samstag unterwegs, sie klapperten das marode Endlager Asse ebenso ab wie das DDR-Pendant Morsleben, die Nacht zum Samstag verbringen sie vor den Toren Berlins. Weitere 273 schwere Zuggeräte brachen am Freitag direkt aus dem Wendland nach Berlin auf. Es soll schließlich pompös werden.

Lange war die Stimmung nicht mehr so gereizt wie diesmal. Hatten sich insbesondere die Kernkraft-Betreiber vor der letzten Bundestagswahl noch auffällig zurückgehalten, ziehen sie den Atomkonsens aus dem Jahr 2000 mittlerweile offen in Zweifel. Drei der vier großen Stromkonzerne haben zwischenzeitlich versucht, die Restlaufzeiten ihrer älteren Reaktoren zu verlängern.

Doch alle Versuche, Strommengen von jüngeren auf ältere Reaktoren zu übertragen, scheiterten. "Damit ist überdeutlich, dass die Unternehmen vom Atomkonsens nichts mehr wissen wollen", sagt Jochen Stay von der Initiative "ausgestrahlt"; sie zählt zu den Veranstaltern der Demonstration. Das allerdings mache es auch viel leichter, für eine solche Demo zu mobilisieren. "Und zwar bei Veteranen der Bewegung genauso wie bei den Jüngeren", sagt Stay.

Seit Wochen fahren Umweltverbände, SPD und Grüne eine beispiellose Kampagne gegen die Kernkraft. Greenpeace rechnet die hohen Subventionen für die Atomindustrie vor und präsentiert alternative Energiekonzepte, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) lässt sich in den Stollen des Salzstocks Asse ablichten, die Grünen stellen eine neue Studie vor über Leukämie-Fälle in der Nähe von Kernkraftwerken. Und die Demo am Samstag könnte eine Art Höhepunkt werden - könnte. Denn wie viele Menschen sich vor dem Brandenburger Tor einfinden, weiß niemand. Es soll regnen.

© SZ vom 5.9.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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