Anschlag in Berlin:IS drängte Amri zu Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt

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Am 20. Dezember 2016 rast der Attentäter mit einem gestohlenen Lastwagen in die Menschenmenge auf dem Berliner Weihnachtsmarkt. (Foto: dpa)
  • Offenbar haben Mitglieder des IS den Attentäter Anis Amri dazu gedrängt, den Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt zu begehen.
  • Aus den ausgewerteten Handydaten haben die Ermittler weitere Erkenntnisse gewonnen.
  • Amri hatte offenbar vergessen, an einem seiner Handys die Google-Ortungsfunktion auszustellen. Demnach soll er den Weihnachtsmarkt vor dem Anschlag sieben Mal besucht haben.

Von Georg Mascolo

Die Ermittlungen zum Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt gelten als weitgehend abgeschlossen. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR sind die Behörden zu dem Ergebnis gekommen, dass der Attentäter Anis Amri im vergangenen Oktober ursprünglich plante zum sogenannten Islamischen Staat auszureisen, dann aber offenbar von einem oder mehreren IS-Mitgliedern gedrängt wurde, einen Anschlag in Deutschland zu begehen. Der IS habe das besondere Potential von Amri erkannt und dann gezielt darauf hingearbeitet, dass der Tunesier seine Tat hier begeht, heißt es in Ermittlungskreisen.

Am 10. November des vergangenen Jahres wurde dem Tunesier die pdf-Datei eines IS-Dokuments mit dem Titel "Die frohe Botschaft zur Rechtleitung für diejenigen, die Märtyrer-Operationen durchführen" übermittelt. In dem 143-seitigen Papier wird der Jihad, auch gegen Alte, Frauen und Kinder, gerechtfertigt. Noch unmittelbar vor seiner Tat stand Amri mit einem IS-Mitglied in Verbindung und tauschte sieben Nachrichten aus. Gegen diese unbekannte Person wird von der Bundesanwaltschaft wegen Beihilfe zum Mord und zum versuchten Mord ermittelt.

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Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass es sich um einen sogenannten IS-Instrukteur handelt, der Islamisten dabei berät - oder sie drängt - Anschläge im Westen zu begehen. Solche setzt die terroristische Organisation inzwischen in zahlreichen Fällen ein - der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen nennt sie "regelrechte Headhunter." Allein in vier der fünf im vergangenen Jahr in Deutschland begangenen Anschläge spielten nach Erkenntnissen des BKA solche Instrukteure eine entscheidende Rolle.

Die weitgehende Aufklärung der Tat durch Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft wurde möglich, weil Teile der elektronischen Kommunikation Amris wieder hergestellt werden konnten. So schrieb er am 5. Oktober an ein mutmaßliches IS-Mitglied: "Ich will zu Euch auswandern, sag mir, was ich tun soll. Ich bin jetzt in Deutschland." Amri wurde aufgefordert auf einen verschlüsselten Kanal des Messenger-Dienstes Telegram zu wechseln.

Zudem hatte der Tunesier vergessen an einem seiner Handys die Google-Ortungsfunktion auszustellen. Mit Hilfe dieser Daten konnte festgestellt werden, dass Amri ab dem 22. November begann den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche zu besuchen, ingesamt sieben Mal vor der Tat. Am 22. November beendete Amri auch den zuvor extensiven Besuch von Porno-Seiten im Internet. Er rief nur noch islamistische Inhalte auf.

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