Andrej Babis:Skepsis gegenüber EU und Flüchtlingen

Unbekannte stellten Mitschnitte von Telefonaten Babis ins Internet, in denen der Milliardär einem Journalisten der ihm gehörenden führenden Tageszeitung Tschechiens Anweisungen erteilt. Tschechische Journalisten und Filmemacher legten Beiträge vor über zweifelhafte Bedingungen in Firmen des Babis-Imperiums oder den angeblichen Einsatz von Finanzbehörden gegen Geschäftskonkurrenten in seiner Zeit, als Babis Finanzminister war.

Die Firmen seines Agrofert-Konzern haben 2016 mehr staatliche Subventionen erhalten, als sie Steuern zahlten. "Und das Vermögen des Unternehmers Babis hat sich in den Jahren des Finanzministers und Vize-Regierungschefs Babis fast verdoppelt. Das stinkt schlimmer zum Himmel als der ärgste Misthaufen", sagt Tschechiens früherer Außenminister Karel Schwarzenberg, der mit der konservativen Partei TOP09 gegen Babis antritt.

Bereits im Mai entließ Noch-Ministerpräsident Bohuslkav Sobotka Babis als Finanzminister. Das Parlament hob im September Babis' Immunität auf, Tage später folgte die tschechische Anklage gegen den Unternehmer. Interview-Anfragen der SZ ließen Babis und seine Partei unbeantwortet. Bei Wahlkampfauftritten gibt sich der Milliardär als verfolgte Unschuld. Schließlich werde die Regierung samt Ministerpräsident noch von seinen Konkurrenten geführt, den Sozialdemokraten. Ermittlungen und Anklage gegen ihn seien nur Wahlkampfmanöver, behauptet Babis. Sein Ex-Stellvertreter Wagenknecht sieht dies anders: "Schließlich lösten nicht die tschechischen Behörden die Ermittlungen gegen Babis aus, sondern die EU."

Doch die EU ist bei vielen Tschechen schlecht angeschrieben. Sowohl der acht Jahre amtierende Staatspräsident Vaclav Klaus wie auch sein Nachfolger Milos Zeman haben die Skepsis der Tschechen gegenüber jede Steuerung von außen eingesetzt, um ihre eigene Popularität zu stärken und wetterten zwölf Jahre lang über die "Diktatur aus Brüssel". Nur gut ein Drittel der Tschechen hat eine gute Meinung zur EU - der niedrigste Wert in der EU.

Vorwürfe aus Brüssel dürften Babis also wenig schaden. Außerdem spreche Babis "bei vielen Tschechen das immer noch tief verwurzelte Stereotyp an, dass ein aufgeklärter Diktator nicht schlecht ist, um uns vor Gefahren von außen zu schützen", sagt Jiri Pehe, ehemaliger Mitarbeiter von Tschechiens erstem demokratischem Präsidenten Vaclav Havel. Präsident Zeman hat schon angekündigt, er wolle Babis im Falle eines Wahlsieges trotz Anklage durch die Justiz das Mandat zur Regierungsbildung erteilen.

Doch ob und mit wem Babis regieren könnte, ist offen. 31 Parteien treten an. Die bisher führenden Sozialdemokraten können nur noch auf etwa 13 Prozent rechnen - weniger als Babis und wenig mehr als die Kommunisten. Welche von drei konservativen Parteien ins Parlament einzieht, ist ebenso offen wie das Schicksal der Grünen und der Piraten. Größter gemeinsamer Nenner vieler Parteien ist die Skepsis oder Feindschaft gegenüber EU und Flüchtlingen - obwohl es hier kaum welche gibt.

Der radikalste Gegner von Flüchtlingen und EU hat in Umfragen auch am stärksten zugelegt: Tomio Okamura, 45 , Sohn eines Japaners und einer Tschechin. Die Abkürzung für seine Partei "Freiheit - direkte Demokratie" ist SPD. "Aber wir sind anders als die SPD in Deutschland", sagt Okamura. In der Tat: Okamura fordert in seinem Wahlprogramm ein Verbot des Islam in Tschechien und ein Referendum über Austritt oder Verbleib in der EU. Prager Analysten zufolge könnte Okamura bis zu zehn Prozent Stimmen erreichen und - nach Österreich - auch Tschechien weiter nach rechts rücken.

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