Al-Qaida-Prozess in Düsseldorf:FBI-Agent belastet Terrorverdächtigen

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Bei der Erstürmung von Osama bin Ladens Haus wurde das zentrale Beweisstück gefunden: ein USB-Stick. Ein Dokument, das auf ihm gespeichert war, belastet den Angeklagten Abdeladim el-K. schwer. Die Verteidigung spricht von einer Fälschung. Ein FBI-Agent weist diesen Verdacht vor Gericht zurück.

Von Frederik Obermaier

Das entscheidende Dokument ist 17 Seiten lang und auf Arabisch. Der mutmaßliche Verfasser, ein berüchtigter Stratege des Terrornetzwerks al-Qaida, schwärmt darin von einem "marokkanischen Bruder", der in Europa lebe und zu allem bereit sei. Geboren sei er am 15. Juni 1981 - genau wie Abdeladim el-K. Zusammen mit drei weiteren jungen Männern steht er seit vergangenem Jahr vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, im Auftrag von al-Qaida einen Sprengstoffanschlag geplant zu haben. Die Anklage stützt sich unter anderem auf besagten Brief mit dem Geburtsdatum von K. Angeblich wurde er 2011 bei der Erstürmung des Anwesens von Osama bin Laden in Pakistan gefunden - so behaupten es zumindest die Amerikaner. Die Verteidiger der vier Männer sprechen von einer möglichen Fälschung. Deshalb musste am Mittwoch ein FBI-Agent in den Zeugenstand treten.

Im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts erzählte der 44-jährige Computerforensiker, dass er das Dokument auch erst vor einem Jahr erhalten haben - auf einem USB-Stick, wie sie die amerikanischen Spezialkräfte zu Dutzenden im Haus von Bin Laden sichergestellt haben. Auf dem 16-Gigabyte-Stick seien 71 Dateien gespeichert gewesen. Sechs davon habe er untersucht. Darauf seien vier Kopien des Briefes gespeichert gewesen. Letztes Änderungsdatum: der 31. März 2010. Das allein sagt jedoch wenig aus, eigentlich gar nichts. Ein paar Klicks genügen und schon ist so ein Datum am Computer geändert, wie auch der amerikanische Beamte eingestand: "Wir hatten auch schon mal Dokumente, die aus dem Jahr 2045 stammen sollten."

Die US-Behörden wollen eine rasche Verurteilung

Die viel wichtigere Frage ist ohnehin, warum das FBI die Datei erst ein Jahr nach der Erstürmung von Bin Ladens Versteck an die deutschen Kollegen übergab. Dafür hat der FBI-Mann keine wirkliche Erklärung: Er selbst habe den Brief erst vergangenes Jahr bekommen. In der Zwischenzeit hätte nach seinen Angaben auch niemand das Schreiben fälschen können. Bin Ladens USB-Stick sei einen Tag nach dem Sturm auf Bin Ladens Anwesen in einem FBI-Labor zur Auswertung eingetroffen. Entweder noch in Afghanistan, oder spätestens im FBI-Labor sei die Datei mit einem digitalen Siegel versehen worden. Dieses Siegel, so der FBI-Mann, würde die kleinste Änderung des Originaldokuments oder der Kopien verraten. Dass ein amerikanischer Agent für eine Aussage extra nach Deutschland fliegt, ist ein Novum. Den US-Behörden geht es offenbar um den eigenen Ruf - und eine rasche Verurteilung.

Das Dokument, das in Düsseldorf jetzt plötzlich so eine große Rolle spielt, bekamen die deutschen Beamten vergangenen April aus Übersee. Es handelt sich angeblich um einen Brief von Younis al-Mauretani, dem inzwischen festgenommenen "Außenminister " von al-Qaida, an Bin Laden. Al-Mauretani präsentiert darin eine globale Strategie von al-Qaida, von Anschlägen auf Tunnel, Tanker und Internetkabel am Meeresgrund ist die Rede. Die deutschen Ermittler sehen darin aber vor allem den Beleg, dass es sich bei der "Düsseldorfer Zelle" um den rheinischen Arm von al-Qaida handelt - und dass die Führung des Terrornetzwerks dem Marokkaner Abdeladim el-K. direkt Befehle gab.

Abdeladim el-K. hatte in Krefeld studiert, seine Ausbildung aber rasch nach Waziristan verlegt, ins afghanisch-pakistanische Grenzgebiet. Dort soll er gelernt haben, wie man Sprengstoff herstellt und per Handy zündet. Zurück in Deutschland soll K. sich mit drei Freunden ans Werk gemacht haben: Mit einer Splitterbombe, so vermuten die Ermittler, wollten sie möglichst viele Menschen in den Tod reißen. Ein Bekennervideo sei vorbereitet gewesen, doch der Plan ging nicht auf.

Vor der "Düsseldorfer Zelle" gab es schon die sogenannte Sauerlandgruppe und die Kölner Kofferbomber, die zwei Bomben in Regionalzüge gestellt hatten. Die Polizei war also gewarnt. Zudem sollen bei den Sicherheitsbehörden relativ konkrete Hinweise auf Terrorpläne in Deutschland eingangen sein. Bei ihren Ermittlungen stieß die Polizei auf Abdeladim el-K.

Sprengstoff aus Grillanzündern

Die Besondere Aufbauorganisation "Komet" ließ sein Telefon abhören und seine Wohnung verwanzen. So hörten Beamte mit, als Abdeladim el-K in der Witzelstraße 24 in Düsseldorf zu seinen Freunden sagte: "Die Deutschen sind Eindringlinge. Wir sind Helden. Wir werden Vorbilder für andere." Die Polizisten lasen auch mit, als er in einem Internetcafé eine Nachricht an einen Al-Qaida-Mann tippte: "Oh Scheich, wir halten noch unser Versprechen. Entweder Sieg oder Märtyrertum. Ich trainiere einige Jugendliche aus Europa. Nach dem Training werde ich mit dem Schlachten der Hunde beginnen."

Wenig später nahm die Sondereinheit GSG 9 Abdeladim el-K. und zwei seiner mutmaßlichen Komplizen fest, einen vierten Mann schnappten die Ermittler acht Monate später. In der verwanzten Zwei-Zimmer-Wohnung in Düsseldorf entdeckten die Polizisten zwischen Zahnpasta und Klopapier ein geheimes Bombenlabor. Die Männer hatten offenbar versucht, aus Grillanzündern Hexamin zu gewinnen. Sie hatten jedoch das falsche Produkt gekauft, es enthielt lediglich harmloses Paraffin.

Der Prozess gegen Abdeladim el-K. und seine mutmaßlichen Mitverschwörer läuft bereits seit acht Monaten. An diesem Donnerstag soll ein weiterer FBI-Agent aussagen.

© SZ vom 21.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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