Aktuelles Lexikon:Spritztour

Trumps Corona-Ausflug ist schwer in Worte zu fassen.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Begegnet man heute dem Wort "Spritztour", liest man vermutlich gerade ein Automagazin und bildet sich in Sachen Motorenleistung weiter. Umgangssprachlich bezeichnet eine solche (meist als "klein" titulierte) Tour eine eher ziellose Fahrt irgendwohin, wo man irgendwie Spaß haben soll; wer sich auskennt mit Spritztouren, amüsiert sich eventuell schon auf dem Weg dorthin. Das Verb spritzen evoziert eine gewisse Vorstellung von Schnelligkeit, wie bei aufgewirbeltem, spritzendem Wasser und steht damit wiederum "spritzig" nahe, einem Lifestyle-Adjektiv für anregend (Weißwein), schwungvoll (Komödie) oder flott (Auto). Schnelligkeit ist auch etymologisch ein Kriterium, der Begriff Spritztour geht nämlich auf die militärische Sprache zurück; wenn eine große Menge Menschen rasch auseinanderfloh, sich also plötzlich auflöste, sprach man von "spritzen". Im 18. Jahrhundert wurde das Wort in die studentische Sprache aufgenommen, wo es so viel bedeutete wie kleiner Ausflug. Nun ist die Fahrt, die der mit Corona infizierte US-Präsident Donald Trump am Sonntag in seinem Riesenauto unternahm, eher nichts, was man mit "klein" verniedlichen oder als netten Ausflug in die Krankenhaus-Peripherie verharmlosen kann. Medial hat sich in Deutschland trotzdem schon der Fachbegriff Spritztour durchgesetzt.

© SZ vom 06.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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