Aktuelles Lexikon:Favela

Wie eine Kletterpflanze ganzen Stadtvierteln einen Namen gab.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Oben die Christusstatue, die ihre Hände über der Stadt ausbreitet, unten Copacabana und Zuckerhut. Rio de Janeiro, die Metropole mit fast sieben Millionen Einwohnern, ist auch ein Postkartenmotiv, das sich ins kollektive Touristengedächtnis eingeprägt hat wie Markusplatz oder Grand Canyon. Ein Motiv jedoch, das eingerahmt ist von jenen Siedlungen an den Hängen der Stadt, die Favelas genannt werden und in denen es regelmäßig zu Schießereien kommt, in denen die Drogenbanden ihre Macht ausüben und schwer bewaffnete Militärpolizisten patrouillieren. Zurück geht der Name Favela auf eine brasilianische Kletterpflanze, die sich sinnbildlich um die Hügel von Rio rankt. Diese Viertel, denen 2002 mit "City of God" ein traurig-schöner Kinofilm gewidmet wurde und derer es in Rio mehr als 700 gibt, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Ende der Sklaverei. Wegen der Armut und des Wohnungsmangels wuchsen die Siedlungen später weiter. In Favelas gibt es aber nicht nur Not und Gewalt, es gibt auch einen aufstrebenden Mittelstand und wirtschaftliches Leben. In Rio jedoch protestierten am Wochenende Hunderte Menschen gegen Polizeigewalt, ein achtjähriges Mädchen war ums Leben gekommen, als ein Militärpolizist es bei einer Auseinandersetzung mit Kriminellen anschoss. In einer Favela.

© SZ vom 24.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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