Afrika:Sicherheit vor Menschenrechten

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Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan war einer der wenigen Afrikaner, die den Regierungen offen ihre Sünden vorhielten. (Foto: Michael Dalder/Reuters)

Afrikas Herrscher präsentieren sich als Garanten für Stabilität, obwohl sie Teil der Probleme sind.

Von Isabel Pfaff

Eine junge Südafrikanerin brachte an diesem Wochenende die Krise ihres Kontinents auf den Punkt: Mit dem Argument der Stabilität verzichten die meisten afrikanischen Machthaber auf die Einhaltung der Verfassung und der Menschenrechte; sie schließen Frauen und die Jugend des Kontinents von Entscheidungen aus und klammern sich an die Macht. Lindiwe Mazibuko, eine 35-jährige Oppositionsabgeordnete aus Südafrika, sagte das nicht auf dem Podium, sondern vom Zuschauersaal aus. Die Redner auf der Bühne: Männlich und nicht unter 50 Jahre alt, einige vertreten genau jene Regierungen, die Mazibuko kritisiert - ein passendes Bild.

Der Westen interessiert sich für Afrikas Probleme vor allem dann, wenn sie ihn betreffen

Zum ersten Mal bei der Münchner Sicherheitskonferenz war Afrika Teil des Hauptprogramms. Amtierende und ehemalige Staatschefs waren nach München gekommen, Minister sowie Abgesandte der Afrikanischen Union (AU). Die Veranstaltungen legten den Schwerpunkt auf Themen, die westliche Sicherheitsinteressen berühren: islamistischer Terror und Migration. Es blieb vor allem zivilgesellschaftlichen Teilnehmern vorbehalten, auch Krisen anzusprechen, unter denen nur Afrikaner leiden, etwa die Konflikte in Burundi oder im Südsudan.

Einer der Gäste aus Afrika war Smail Chergui, AU-Kommissar für Frieden und Sicherheit. Er erläuterte ausführlich, wie die Bemühungen der Organisation aussehen: Mit einem Frühwarnsystem könne man Konflikte schnell erkennen und diplomatisch eindämmen; falls das scheitere, habe man sogar eine schnelle Eingreiftruppe. Im ostafrikanischen Burundi sollte vor Kurzem genau dieses Instrument zum Einsatz kommen. Dort geht der Präsident mit Gewalt gegen die Opposition vor, weil sie seine (verfassungswidrige) dritte Amtszeit ablehnt. Doch die afrikanischen Staatschefs wagten es am Ende doch nicht, gegen den Willen des Präsidenten Truppen in das Land zu schicken - obwohl die Charta der AU diesen Schritt erlaubt. Eine Frage aus dem Publikum zwang Kommissar Chergui, auf Burundi einzugehen. "Wir können doch nicht einmarschieren, wenn der Präsident es nicht will", sagte er nur.

Wie fortschrittlich die AU-Charta in dieser Hinsicht eigentlich ist, sagte er nicht. Es ist ein altes Problem, und natürlich kein rein afrikanisches: Souveränität gilt vielen Staatschefs immer noch als höchstes Gut. In Afrika ist diese Haltung ein Sicherheitsrisiko - wirklich zum Thema gemacht wurde das in München aber nicht.

"Afrikas Regierende sorgen sich um sich, weniger um ihre Bürger."

Dabei taten zwei prominente Gäste sehr viel dafür: der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan und Amnesty-International-Chef Salil Shetty. Sie redeten Klartext. Nicht der Terror sei Afrikas Hauptproblem, so Annan, sondern verantwortungslose Machthaber und die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher. Terrorbekämpfung ohne neue Perspektiven für die Bevölkerung werde keinen Erfolg haben. "Die Regierenden in Afrika sorgen sich vor allem um sich, weniger um ihre Bürger", kritisierte Annan, dann kam er auf den Internationalen Strafgerichtshofs zu sprechen, der von der Mehrheit der afrikanischen Staaten abgelehnt wird, weil er auch amtierende Regierungen ins Visier nimmt.

"Die meisten unserer heutigen Krisen sind vorhersehbar und vermeidbar", sagte Amnesty-Chef Shetty, "sie werden von Regierungen verursacht, die ihre Bevölkerung unterdrücken." Als Beispiele nannte er Burundi, Eritrea und Ägypten - Fälle, die auf der Agenda der Sicherheitskonferenz praktisch nicht vorkamen.

Stark vertreten waren dagegen die Terrorzonen am Horn von Afrika und im Maghreb. Auf dem Podium diskutierten unter anderem Regierungsvertreter aus Somalia, Äthiopien und Marokko. Es gab wolkige Bekenntnisse zu Frieden, Demokratie und Entwicklung. Selbst der äthiopische Außenminister Tedros Adhanom, Vertreter einer autoritären Regierung, nannte neben Armut "den Mangel an Demokratie" als die größte Bedrohung von Stabilität.

Erst als es noch einmal um den Internationalen Strafgerichtshof und damit auch um das Thema Straflosigkeit unter den Mächtigen ging, wurde es konkret. Man unterstütze natürlich nicht Straflosigkeit, sagte Äthiopiens Außenminister. Doch man lehne ab, dass Vertreter der kenianischen Regierung vor dem Gericht in Den Haag angeklagt würden. "Solche Dinge sollten auf afrikanischem Boden geregelt werden", so Tedros. Und: Mit der Islamistenmiliz al-Shabaab habe man in Ostafrika gerade ein Terrorproblem. Wenn in dieser Lage der kenianische Präsident in Den Haag sitze, sei das eine gefährliche "Sicherheitslücke".

Stabilität und Sicherheit vor Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten - das war die Botschaft, die einer der mächtigsten Staaten Afrikas in München vermittelte. Widerspruch fehlte, im Gegenteil: Äthiopien ist trotz seines diktatorischen Verhaltens einer der wichtigsten Verbündeten des Westens im Kampf gegen den Terror am Horn von Afrika.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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