Afrika-EU-Gipfel:Die Deutsche und der Diktator

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Der Afrika-EU-Gipfel in Lissabon zeigt, wie sehr sich das Verhältnis zwischen Europa und seinem südlichen Nachbarkontinent gewandelt hat.

Martin Winter

Einen Tisch so groß, dass sich die Lenker der afrikanischen Staaten und die der Europäischen Union zugleich um ihn versammeln könnten, gibt es nicht. Darum haben die Portugiesen viele kleine Tische zu einem gewaltigen Oval zusammengestellt. Es muss schon gute Augen haben, wer erkennen will, was am anderen Ende vor sich geht.

Der Zufall des portugiesischen Alphabets hat zwischen Alemanha und Simbabwe die größtmögliche Blickdistanz gelegt. Angela Merkel kann darum bestenfalls erahnen, wie Robert Mugabe auf ihre Frontalangriffe reagiert.

Zuckt er zusammen, wenn die deutsche Kanzlerin sein Land ein Beispiel für "schlechte Regierungsführung und Missachtung der Menschenrechte" nennt? Schwillt ihm der Hals, als sie ihm vorhält, dass der "jetzige Zustand Simbabwes dem Bild des neuen Afrikas" schade?

Die näher sitzen, registrieren bei dem greisen Autokraten Regungslosigkeit. Er protestiert nicht, er greift nicht zum Mikrophon, und er verlässt auch nicht den Saal. Er wartet wohl darauf, dass sich einer seiner afrikanischen Kollegen vor ihn stellt.

Doch keiner steht für ihn auf in dem riesigen Saal auf dem Messegelände von Lissabon, wo nach sieben Jahren Pause wieder ein europäisch-afrikanischer Gipfel tagt. Nur der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade übt später vor Journalisten Kritik an der Deutschen. Sie sei "falschen Informationen über Simbabwe" aufgesessen.

Und in dem herablassenden Tonfall, den Afrikaner an Europäern zu Recht so hassen, fügt er hinzu, dass Merkel trotzdem eine "nice Lady" sei. In den bilateralen Gesprächen aber, die die Bundeskanzlerin mit ihren Kollegen aus Nigeria, Angola, Algerien, Marokko, Togo, Mali, Uganda, Mozambik, Tansania oder Benin am Rande dieses Gipfels führt, wird ihr keiner Vorhaltungen wegen ihrer offenen Kritik an den Zuständen in Simbabwe machen.

Im Gegenteil, nicht wenige stimmen ihrer Bewertung der Lage zu. Aber sie möchten, wie der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki es bei anderer Gelegenheit sagt, dass die Europäer es den Afrikanern überlassen, das Problem zu lösen. Es seien, versichern Diplomaten, aussichtsreiche Bemühungen zwischen den Staaten des südlichen Afrikas im Gang.

An diesem Samstagnachmittag muss Mugabe gedämmert haben, dass die afrikanische Solidarität mit ihm an ihre Grenze geraten ist. Sie hat gerade noch dazu gereicht, den Europäern eine Einladung an ihn abzupressen. Aber die Mehrheit seiner Kollegen will nicht, dass er ihnen bei der Neuregelung der Beziehungen zwischen Europa und Afrika im Wege steht.

Der Triumph über den britischen Premierminister Gordon Brown, der seine Teilnahme an dem Gipfel wegen Mugabes Gegenwart abgesagt hat, wird dem Simbabwer im Laufe des Tages schal.

Spätestens als John Kufour, Präsident Ghanas und gegenwärtig auch der Afrikanischen Union (AU), den Vorwurf des portugiesischen Ministerpräsidenten und EU-Vorsitzenden José Socrates nicht zurückweist, dass Simbabwe die Schuld daran trage, dass es so lange kein Gipfeltreffen der benachbarten Kontinente gegeben habe, da muss Mugabe geahnt haben, dass sein Nimbus als Freiheitskämpfer gegen die Weißen nicht mehr wirkt.

Simbabwe? Das spiele bei den Beratungen nur "eine marginale Rolle" wird ein zufriedener portugiesischer Außenminister Luis Amado am Abend sagen. Man müsse die Proportionen wahren. In Afrika wachse eine neue Generation politischer Führer heran, die weniger in den Denkmustern des Antikolonialismus und der Befreiungskriege verfangen ist, als dass sie sich um die Zukunft ihrer Völker in der Globalisierung sorgt.

Eine Generation, die anders als ihre Väter darum wisse, dass sich Wohlstand und Gerechtigkeit nicht mit Methoden des Untergrundkampfes schaffen lassen. Eine Generation, die auf diesem Gipfel selbstbewusst mit harten Bandagen kämpft und der EU die von Brüssel angebotenen neuen Handelsverträge als unzumutbar vor die Füße wirft.

Diese Generation, berichten Diplomaten, schlage mit den Europäern nicht mehr die Schlachten der Vergangenheit, wie es etwa auf dem ersten EU-Afrika-Gipfel im Jahre 2000 in Kairo geschehen war. Damals ging es noch um die Aufrechnung von Schuld und um die Konfrontation mit einer Vergangenheit, die John Kufour "500 nicht sehr glückliche Jahre" nennt. Aber heute, fügt er hinzu, gehe es um die "historische Umgestaltung der Beziehungen".

Oder, wie es der ägyptische Präsident Hosni Mubarak bei der Eröffnung des Gipfels formuliert: Afrika und Europa "brauchen eine strategische Partnerschaft im Interesse unserer Länder und Völker".

Draußen vor der Tür des Versammlungsraums kann man mit den Menschenrechts-Aktivisten aus Afrika reden, und die sind nicht sehr glücklich über diese Formeln. Sie fürchten ein gefährliches Nachlassen Europas im Kampf gegen die Diktatoren.

Die Ärztin Primrose Matambanadzo aus Simbabwe wirft der EU "einen falschen Fokus" vor. Und der aus Sudan angereiste Menschenrechtsanwalt Salin Osman spricht von der "moralischen und ethischen Verpflichtung" der Europäer, in Darfur einzugreifen. Dabei liegen die, die draußen demonstrieren, und die, die drinnen beraten, genau besehen aber nicht so weit auseinander.

Merkel hat in ihrer Rede auch den Sudan als einen Fall schwerster Menschenrechtsverletzungen herausgehoben. Und vermutlich wird kein europäischer Staats- oder Regierungschef der Behauptung widersprechen, dass der sudanesische Herrscher Omar al-Bashir mehr Blut an den Händen hat als Mugabe. Und dass Idriss Déby, der Präsident des Tschad, in dessen Land die EU eine eigene Friedensmission stationieren will, einen Menschenrechtstest kaum bestehen dürfte.

Aber wenn Europa ernsthaft in die Krise eingreifen wolle, dann müsse es eben auf die einwirken, die etwas bewegen können, sagen europäische Diplomaten. Während die Europäer Mugabe nicht einmal mehr die Hand schütteln, weil sie ihn nicht mehr als Teil der Lösung begreifen, setzen sie sich am Rande des Gipfels mit al-Bashir zu einer einstündigen Beratung zusammen.

Socrates, EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso und EU-Chefdiplomat Javier Solana reden auf den Mann aus Khartum ein. Ob sie ihn zu Kompromissen bewogen haben, bleibt vorerst im Dunkeln. Das alles sei "sehr schwierig" sagt ein portugiesischer Diplomat. Aber in solchen Fällen führe nur Beharrlichkeit zum Ziel.

Realpolitik ohne Vorwürfe

Das ist die Art Realpolitik, die die neue Beziehung zwischen Europa und Afrika prägen soll. Gegen Ende des Gipfels meldet sich Mugabe dann doch noch zu Wort. Und er zieht alle Register antikolonialer Rhetorik, spricht von der "Arroganz" derer in Europa, die ihn kritisierten.

Die Afrikaner müssten "gegen diese Arroganz kämpfen". "Wir brauchen keine Treffen wie diese, auf denen wir nur über das belehrt werden sollen, was wir bereits wissen", qualifiziert er den Gipfel ab. Die Afrikaner wüssten besser, was gut für sie sei. Und Freiheitskämpfer wie er, die ihr Leben für das Prinzip "One man, one vote" riskiert haben, hätten den Briten erst beigebracht, "was Demokratie ist".

Dann klagt er die USA und Großbritannien der Verschwörung gegen Simbabwe an. Sie wollten einen Sturz seiner Regierung. Doch der Funke afrikanischer Solidarität gegen die ehemaligen Kolonialisten springt nicht über. In der Nacht zuvor haben einige afrikanische Staatschefs versucht, Mugabe von seiner Rede abzuhalten. Als er dann spricht, haben sich die Reihen des Gipfels schon gelichtet. Viele machen sich auf dem Heimweg, statt auf Mugabe zu warten.

© SZ vom 10.12.2007/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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