Afghanistan:Truthahn und Taliban

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Die Ankündigungen von US-Präsident Trump zu neuen Friedensverhandlungen mit den Islamisten bleiben vage.

Von Tobias Matern, München

Der oberste Befehlshaber als Servicekraft: Trumps Truppenbesuch. (Foto: Olivier Douliery/AFP)

Es ist für den Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte ein Ritual, sich an Thanksgiving auch mal bei der Truppe im Auslandseinsatz zu zeigen. Donald Trumps Vorgänger haben das getan, und obwohl Trump viele Dinge anders als seine Vorgänger macht, war der 45. Präsident der USA zum wichtigsten amerikanischen Feiertag bei den US-Soldaten in Afghanistan zu Besuch. Nachdem er auf dem Bagram-Stützpunkt nördlich von Kabul den obligatorischen Truthahn mit Soße und Kartoffelpüree an ausgewählte Männer und Frauen in Uniform verteilt hatte, nährte Trump Hoffnungen, den längsten Militäreinsatz der US-Geschichte zu Ende bringen zu können. "Die Taliban wollen einen Deal machen", sagte er. Seine Regierung führe wieder Gespräche mit den Islamisten.

Diese Treffen in Doha zwischen dem US-Diplomaten Zalmay Khalilzad und den Taliban hatte der Präsident im September für beendet erklärt, um einen taktischen Fehler zu kaschieren. Statt der Diplomatie ihren Lauf zu lassen, wollte der Präsident selbst die Islamisten und die afghanische Regierung zu einem Friedensgipfel nach Camp David einladen. Das Problem: Vor allem die Taliban waren noch nicht bereit dazu. Sie spielen in den bilateralen Gesprächen mit den USA ihre Macht aus, treiben den Preis für den Frieden hoch. Und die US-Regierung hat sich darauf eingelassen, Kabul aus dem Friedensprozess zunächst herauszuhalten, um sich nach 18 Jahren Krieg am Hindukusch eine Abzugsperspektive zu schaffen.

Im September wurde ein neuer Präsident gewählt, ein Ergebnis liegt aber immer noch nicht vor

Diese Taktik führt in Afghanistan zu erheblicher Unruhe. Zwar wünschen sich Regierung und Bevölkerung nichts sehnlicher als einen Frieden, aber die Sorge ist groß, dass in den US-Taliban-Gesprächen zu viel festgezurrt wird, ohne dass Kabul darauf Einfluss nehmen könnte. So betont der Präsidentenpalast immer wieder, der Friedensprozess müsse einer afghanischer Führung unterliegen.

Zwar bestätigten die Taliban am Freitag, sie seien dazu bereit, die Gespräche wieder aufzunehmen. Ob sie damit aber das bilaterale Gesprächsformat mit den USA meinen, oder ob nun die Regierung von Präsident Ashraf Ghani mit am Tisch sitzen darf, blieb zunächst unklar. Auch eine andere Ankündigung Trumps während seine Kurzbesuchs muss erst noch mit der Realität abgeglichen werden: "Ich glaube, dass sie jetzt einen Waffenstillstand wollen", sagte Trump über die Bereitschaft der Taliban zu einer Feuerpause - wie sie auch die afghanische Regierung fordert. Genau dies hatten die Islamisten bislang aber immer vermieden. So kam es häufig vor, dass ihre Vertreter mit US-Diplomat Khalilzad in Doha zusammensaßen, die Kämpfer in Afghanistan die Treffen aber mit Anschlägen und Attacken auf die afghanischen Sicherheitskräfte flankierten, um den militärischen Druck hochzuhalten. Beobachter gehen nicht davon aus, dass die Taliban diese Taktik so einfach ändern werden.

Wie prekär die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor ist, zeigt auch das Protokoll des Präsidentenbesuches: Nur ein sehr kleiner Kreis im Weißen Haus wusste über die Reisepläne laut dem Nachrichtensender CNN Bescheid. Mitreisende US-Reporter wurden erst zwei Stunden vor der Landung darüber informiert, wohin die Reise des Präsidenten geht. Und sie durften erst darüber berichten, als nach knapp dreistündigem Aufenthalt schon fast wieder die Rückreise in die USA anstand. Obwohl in Afghanistan noch immer mehr als 12 000 Soldaten stationiert sind, war es Trumps erster Besuch bei den Truppen.

Erschwert werden die nun wieder begonnenen Friedensbemühungen durch eine politische Krise in Kabul: Obwohl bereits Ende September Präsidentschaftswahlen stattgefunden haben, gibt es bis heute noch nicht einmal vorläufige Ergebnisse. Beobachter gehen zwar davon aus, dass Ghani am Ende des chaotischen Auszählungsprozesses Präsident bleiben wird, aber eigentlich braucht das Land schon jetzt nichts dringender als eine legitime Führung. Sonst spielt das Vakuum den Taliban und ihrer Haltung in die Hände, die afghanische Regierung müsse nicht an den Friedensgesprächen beteiligt werden.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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