Afghanistan:Terror in der Universität

Lesezeit: 2 min

Einheiten des afghanischen Militärs rückten an, um drei bewaffnete Angreifer in der Universität der Hauptstadt Kabul zu stellen. 19 Menschen starben bei der Terrorattacke, die der Geheimdienst nicht hatte abwenden können. (Foto: Omar Sobhani/Reuters)

Eine Attacke mit mindestens 19 Toten in Kabul zeigt: Trotz Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und den Taliban ist das Land am Hindukusch von einem Ende der Gewalt weit entfernt.

Von Tobias Matern, München

Neun Monate ist es her, seit die USA mit den Taliban in Afghanistan eine Vereinbarung getroffen haben: Im Gegenzug für einen Abzug der westlichen Truppen bis spätestens Ende April 2021 sollen die Islamisten ihren Teil dazu beitragen, dass von Afghanistan keine Terrorgefahr mehr ausgeht. Nun sitzen die Aufständischen seit einigen Wochen auch mit der afghanischen Regierung zusammen und sprechen zumindest über eine Perspektive zur Machtteilung in Kabul. Doch von Frieden ist das Land weiterhin weit entfernt.

Stattdessen regiert der Terror den Alltag der Afghaninnen und Afghanen: Am Montag attackierten drei Männer die Kabuler Universität und töteten mindestens 19 Menschen, 22 weitere wurden verletzt. Zwar beeilten sich die Taliban mitzuteilen, dass sie für den Angriff nicht verantwortlich seien. Aber für die Menschen am Hindukusch macht es keinen Unterschied, ob die Taliban oder die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ihr Leben zur Hölle machen. Die Unsicherheit bestimmt ihren Alltag, Angriffe wie am Montag haben in den vergangenen Monaten wieder zugenommen.

Die Angreifer wurden in einem stundenlangen Gefecht getötet

Militäreinheiten sicherten am Montag die Umgebung er Universität ab. Spezialkräfte der Armee begleiteten flüchtendes Lehrpersonal und Studenten. Alle Angreifer seien im Verlauf des stundenlangen Feuergefechts getötet worden, sagte der Sprecher des Innenministeriums, Tarik Arian, der Nachrichtenagentur AP. An der Hochschule fand zum Zeitpunkt des Angriffs eine afghanisch-iranische Buchmesse statt, wie afghanische Medien berichteten.

"Studenten haben das Recht, in Frieden und Sicherheit zu studieren", sagte der Chef-Verhandler der afghanischen Regierung mit den Taliban, Abdullah Abdullah. Aber als die Polizei auf dem Universitätsgelände eintraf, war es schon zu spät. (Foto: Rahmat Gul/AP)

Der afghanische Vizepräsident Amrullah Saleh räumte nach dem Terrorangriff ein, dass der Geheimdienst versagt habe, weil er die Attacke nicht verhindern konnte. Für Saleh stand fest, dass "die Taliban und ihre gleichgesinnten satanischen Verbündeten" hinter der Tat stünden, wie er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter schrieb. Deutlich wird nach Angriffen wie am Montag, dass der afghanische Friedensprozess weit davon entfernt ist, dem Land ein nachhaltiges Ende der Gewalt zu bringen. Abdullah Abdullah, der Chefverhandler der afghanischen Regierung mit den Taliban, nannte den Anschlag ein "abscheuliches Verbrechen" und sagte, "Studenten haben das Recht, in Frieden und Sicherheit zu studieren".

Trump hält unbeirrt an seinen Abzugsplänen fest

Von der unsicheren Lage in Afghanistan lässt sich US-Präsident Donald Trump indes nicht beeindrucken. Um seine Anhänger im Wahlkampf-Endspurt zu beeindrucken, erklärte er jüngst, schon bis Jahresende sollten die restlichen US-Truppen nach Hause geholt werden. Nachdem die USA zunächst bilateral mit den Taliban eine Vereinbarung getroffen hatten, ohne die afghanische Regierung mit an den Verhandlungstisch zu holen, bringt der Oberbefehlshaber der US-Armee nun auch noch den Zeitplan ins Wanken. Für die Regierung in Kabul ist das ein weiterer strategischer Nachteil, weil die Aufständischen wissen: Die Zeit ist auf ihrer Seite.

Sollte Trump die Wahl gewinnen und seine Ankündigung wahr machen, würde der gesamte Einsatz der noch verbliebenen westlichen Soldaten am Hindukusch früher als geplant enden, weil die anderen Nationen ohne die Logistik der Amerikaner und deren militärische Fähigkeiten nicht zurechtkommen. Der Westen war nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in Afghanistan einmarschiert, hat es aber - auch aus Unkenntnis der Verhältnisse und Machtstrukturen im Land und der Region - nicht vermocht, die Taliban zu besiegen.

Nach knapp 20 Jahren westlicher Präsenz gehen zwar Millionen afghanischer Kinder in die Schule, auch haben Frauen deutlich mehr Rechte bekommen. Aber viele Menschen in Afghanistan befürchten, dass die Taliban sich nicht mit einem Teil der Macht zufrieden geben werden, wenn die USA und ihre Verbündeten erst einmal abgezogen sind. Nach der Besatzung der Sowjetunion und dem Abzug der Roten Armee Ende der 1980er Jahre dauerte es nur wenige Jahre, bis die verfeindeten Ethnien ihre Konflikte mit der Waffe austrugen und das Land in einen Bürgerkrieg abdriftete. Die Angst, dass sich die Geschichte wiederholt, ist auch im Jahr 2020 in Afghanistan wieder akut.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: