Afghanistan:Herr Minister speist

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Afghanistans Taliban-Regierung bleibt unsichtbar.

Von Tomas Avenarius, Kabul

Es ist kurz vor Mittag, im Kabuler Informationsministerium stehen die Journalisten sich vor den Büros des Regierungssprechers die Beine in den Bauch. Afghanische Medienleute, ausländische Korrespondenten und sonstige Bittsteller warten Stunden vor geschlossenen Türen. Die ersten Bediensteten tragen Tabletts mit dampfendem Essen über die Gänge: Auch in der nächsten Dreiviertelstunde wird sich nichts tun, Mittagspause.

Die Regierung des "Islamischen Emirats" - so heißt das neue Taliban-Afghanistan - wirkt dysfunktional. So weit es überhaupt so etwas gibt wie eine Regierung. Das Fernsehbild vom Kabinettstreffen an einem langen Tisch im Präsidentenpalast wirkt sowjetisch, politisch transparente Entscheidungen fallen hier erkennbar keine. Die wichtigen Minister selbst treten nach außen hin praktisch nicht in Erscheinung, vom Innenminister - in den USA für zehn Millionen Dollar als Terrorist gesucht - existiert nicht einmal ein vernünftiges Foto. Einen Termin bei einem der Taliban-Amtsträger? Fehlanzeige. Der Flüchtlingsminister ist in einer Besprechung, heißt es. Der Flüchtlingsminister ist nicht erreichbar oder - es ist neun Uhr - , der Flüchtlingsminister ist gerade aufgestanden.

In der "Übergangsregierung", die kurz nach dem Fall von Kabul am 15. August vorgestellt wurde, kamen nur Männer zum Zug, eine Frau ist nicht dabei. Posten bekamen altgediente Taliban-Führer, theologisch legitimiert oder als Feldkommandeure bekannt. Weil der Mangel an Expertise mehr als offensichtlich ist, wurden jüngst die Vizeposten in den Ministerien mit Fachleuten besetzt, im Flüchtlings- oder im Handelsministerium etwa. Namhafte Vertreter der afghanischen Gesellschaft sind keine dabei, bekannt sind die Neuen bestenfalls in Taliban-Kreisen.

Pakistans Außenminister Schah Mahmood Qureshi hat die Staatengemeinschaft jetzt aufgefordert, die Taliban trotz aller Vorbehalte nicht zu isolieren, sondern pragmatisch mit ihnen zu reden. Vielleicht sollte der Pakistaner den Islamisten im Nachbarland dann aber auch vermitteln, dass klar sein muss, wer für was zuständig ist im Emirat. Dass die Staatengemeinschaft für einen Dialog mit den ungeliebten Islamisten Ansprechpartner braucht, scheint in Kabul bisher nicht gesehen zu werden.

Die Taliban werden nicht müde, die Welt aufzufordern, ihre Regierung anzuerkennen, die zehn Milliarden Euro an eingefrorenen Devisenvermögen auszuzahlen und Hilfsgelder zu überweisen. Dafür aber müssten ihre Minister, Vordenker oder sonstigen Würdenträger klarmachen, wofür sie stehen: Afghanistans Wirtschaft steht kurz vor dem Kollaps, das Land ist auf Unterstützung angewiesen.

Einer der wenigen, die dies bisher für nötig befanden, ist der Taliban-Mitbegründer Mullah Nureddin Turabi. Abzuwarten bleibt, ob ausgerechnet Verlautbarungen eines Scharia-Experten, der aus Zeiten des ersten Taliban-Regimes in den Neunzigerjahren für seine Härte berüchtigt war, den Dialog mit der Welt erleichtern. Turabi sagte der Nachrichtenagentur AP: "Niemand kann uns vorschreiben, wie wir Recht sprechen." Und führte aus: Das Abhacken der Hände von Dieben und Räubern sei "sehr wichtig für die Schaffung von Sicherheit".

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