Afghanistan-Friedensgespräche mit Taliban:Raum für Verhandlungen

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Gesprächsangebot der Taliban: Muhammad Naeem (zweiter von rechts) in der neuen Taliban-Vertretung in Doha, Katar (Foto: REUTERS)

Die Taliban eröffnen ein Büro in Katar. Sie wollen über "eine friedliche und politische Lösung" für Afghanistan reden. Die USA zeigen Gesprächsbereitschaft, auch Präsident Karsai will Vertreter schicken.

Von Tobias Matern

Die Afghanen sind ein stolzes Volk. In Gesprächen betonen die Menschen immer wieder, sie wollten keinen Tag länger als nötig auf ausländische Hilfe angewiesen sein. Und dennoch betrachten sie mit Sorge die Entwicklung in ihrem Land - der westliche Abzug kommt vielen zu früh. Doch am Dienstag gab es Anlass zur Hoffnung, auch weil sich überraschend die Taliban im Golfemirat Katar zu Wort meldeten.

Dort sind mehr als ein halbes Dutzend hochrangiger Vertreter der Islamisten, um für mögliche Friedensgespräche in einem neutralen Staat bereit zu stehen. Nun haben sie auch ein offizielles Verbindungsbüro eröffnet. Ziel des "politischen Büros" in Doha sei es, "eine friedliche und politische Lösung" des Afghanistankrieges zu unterstützen, hieß es in einer am Dienstag verbreiteten Mitteilung der Taliban. Damit sollten "das Ende der Invasion in Afghanistan und die Stärkung eines unabhängigen und islamischen Systems" im Land erreicht werden. Taliban-Vertreter Muhammad Naim erklärte bei einer vom Sender al-Dschasira übertragenen Pressekonferenz in Doha, das "Islamische Emirat Afghanistans" wolle Gespräche mit den "Ländern der Welt" initiieren. Auch mit Afghanen sollten Gespräche geführt werden. Die Taliban ließen offen, ob sie auch mit der Regierung von Präsident Hamid Karsai sprechen würden.

Afghanen nun für eigene Sicherheit zuständig

Bislang haben sie dies stets abgelehnt und Karsai öffentlich als "Marionette" des Westens beschimpft. Der afghanische Präsident hatte indes bereits einige Stunden zuvor in Kabul angekündigt, eine Delegation zu Friedensgesprächen mit den Taliban nach Katar zu entsenden. Er hoffe, dass solche Gespräche den "Anfang für einen Übergang zum Frieden" in Afghanistan bilden könnten. Der Präsident selbst betonte stets, es gebe Kontakte zu den Aufständischen, diese würde es offiziell nur anders darstellen. Seit März war Karsai zwei Mal in Katar, um mit dem Emir Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani zu sprechen.

Wie Karsai am Dienstag in Kabul zudem bekannt gab, werden von nun an einheimische Soldaten und Polizisten die Verantwortung für die Sicherheit im Land übernehmen. Bis zum Ende des westlichen Kampfeinsatzes im Jahr 2014 sollen ihnen zwar noch Nato-Truppen zur Seite stehen, aber alle Operationen werden die Afghanen selbst vorbereiten und möglichst allein durchführen.

"Wenn die Menschen sehen, dass die Sicherheit an Afghanen übergeben wurde, werden sie die Armee und die Polizei mehr unterstützen als zuvor", sagte Karsai bei einer Zeremonie in einer Militärakademie. Auch verbindet er mit der Übergabe die Hoffnung, dass zukünftig weniger Zivilisten bei militärischen Operationen sterben. Denn dies hat Karsai der Nato häufig lautstark vorgeworfen, auch wenn die Vereinten Nationen in ihren Studien zu Todesopfern in Afghanistan immer wieder darauf hinweisen, dass die Taliban für die meisten zivilen Opfer in diesem Krieg verantwortlich sind.

Karsai hatte sich bereits häufiger sehr positiv über die Schlagkraft der einheimischen Sicherheitskräfte geäußert, etwa nach einer niedergeschlagenen Taliban-Belagerung des Kabuler Flughafens in der vergangenen Woche. Doch entgegen aller Beteuerungen bleibt die Sicherheitslage prekär. Zwar greifen die Islamisten die afghanischen oder ausländischen Truppen nur noch selten direkt an, dafür hatten sie die Zahl der Anschläge jüngst wieder erhöht. Auch am Dienstag kamen bei einer Sprengstoffattacke in Kabul mindestens drei Menschen ums Leben, 20 weitere Menschen wurden verletzt. Offenbar galt der Anschlag einem Anführer der Hazara-Minderheit, Mohammed Mohaqiq, der nach eigenen Angaben unverletzt blieb.

Neuer Schwung

Karsai hatte im Jahr 2010 bei einer Ratsversammlung den Hohen Friedensrat auf den Weg gebracht, das Gremium sollte Gespräche mit den Taliban anbahnen. Der Prozess erlitt immer wieder Rückschläge, vor allem als der Vorsitzende des Hohen Friedensrates, Burhanuddin Rabbani, im September 2011 einem Anschlag zum Opfer fiel. Kontakte zwischen den Amerikanern und den Taliban brachen die Taliban wieder ab, nachdem die USA eine zentrale Forderung nicht erfüllt hatten: Gefangene aus dem Lager Guantanamo freizulassen.

Obwohl die Islamisten in Doha hochrangig vertreten sind, hatten Diplomaten in den vergangenen Monaten immer wieder betont, es gebe derzeit keinerlei ernst zu nehmenden Kontakte mit den Aufständischen. Doch die Ankündigung der Islamisten vom Dienstag bringt nun neuen Schwung in einen lange festgefahrenen Prozess. Aus Kreisen der US-Regierung wurde die Ankündigung de Taliban als "Beginn eines sehr schwierigen Weges" bezeichnet. Schon "in wenigen Tagen" würden Vertreter Washingtons für direkte Gespräche nach Doha reisen. Es bleibt abzuwarten, ob sie dieses Mal erfolgreicher verhandeln.

© SZ vom 19.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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