Afghanistan:Der nächste Schock

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In Kabul töten Extremisten bei einem Anschlag 15 Menschen. Der IS bekennt sich zu der Attacke und belegt somit ein weiteres Mal seine Schlagkraft, obwohl er zuletzt von der Regierung und den USA mehrfach für besiegt erklärt worden war.

Von Tobias Matern, dpa, Kabul/München

Erneut haben Extremisten in Afghanistans Hauptstadt einen blutigen Anschlag verübt. Nach Angaben der Behörden starben dabei am Montag 15 Menschen. Gegen fünf Uhr morgens waren fünf schwer bewaffnete Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in ein afghanisches Militärcamp im Westen der Stadt eingedrungen. Die Männer sollen Nachtsichtgeräte getragen haben. Sie überraschten die Belegschaft des Lagers wohl im Schlaf - erst nach etwa fünf Stunden endete der Angriff mit dem Tod von elf Soldaten und dem von vier der fünf Angreifer. Zwei hätten sich in die Luft gesprengt, zwei seien erschossen und einer festgenommen worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Daulat Wasiri, am Montag. 16 Soldaten seien verletzt worden.

"Das war wieder ein furchtbarer Angriff auf unsere unschuldige Bevölkerung", sagt ein Beamter

Der Angriff galt Wasiri zufolge einem Stützpunkt der 111. Brigade in der Nähe der Marschall-Fahim-Militärakademie. Er widersprach damit Meldungen, dass die prominente Universität selbst angegriffen worden sei. Das hatten zuvor unter anderem der Präsidentenpalast, ein in der Gegend lebender Offizier und afghanische Medien berichtet. Der IS reklamierte den Überfall über sein Sprachrohr Amaq für sich. Die Terrormiliz war in Afghanistan erst Anfang 2015 aufgetaucht, die USA und die afghanische Regierung bekämpfen sie seitdem. Regelmäßig wird der IS für so gut wie geschlagen erklärt. Trotzdem ist es ihm gelungen, Attentate vor allem in der Hauptstadt enorm auszuweiten. Der IS-Experte des Rechercheinstituts International Crisis Group (ICG), Borhan Osman, hat für das Jahr 2017 allein in Kabul 16 IS-Anschläge mit mehr als 270 Toten gezählt.

In den vergangenen Monaten hat der IS nicht nur in Kabul Medienhäuser, ein Kulturzentrum, Regierungsinstallationen, Sicherheitskräfte und schiitische Moscheen angegriffen. Oft waren die Attentate besonders grausam - wie die Schießerei in einem Militärkrankenhaus in Kabul. Erst vor fünf Tagen hatten IS-Kämpfer in Dschalalabad das Büro der Kinderhilfsorganisation Save the Children überfallen und mindestens sechs Menschen getötet.

In Kabul hat der IS in diesem Jahr schon zwei der insgesamt vier schweren Angriffe für sich reklamiert - und damit genauso viele Anschläge verübt wie die zahlenmäßig viel stärkeren radikalislamischen Taliban. Etwa 150 Menschen waren in den vier größeren Anschlägen und Angriffen in diesem Monat ums Leben gekommen. Erst am Samstag hatte sich im Stadtzentrum ein Selbstmordattentäter der Taliban in die Luft gesprengt und mehr als 100 Menschen getötet. "Das war wieder ein furchtbarer Angriff auf unsere unschuldige Bevölkerung", sagte ein afghanischer Regierungsbeamter nach dem Anschlag. "Wir stehen alle unter Schock."

Eine Woche zuvor hatten Talibankämpfer in einem 17-stündigen Angriff auf das Hotel Intercontinental mindestens 20 Menschen getötet, darunter eine deutsche Entwicklungshelferin. Anfang Januar waren bei einem Selbstmordattentat des IS auf einen Sicherheitsposten mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen. 2017 hatten Taliban und der IS mit mehr als 20 schweren Anschlägen mehr als 500 Menschen getötet.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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