Affärenrepublik Frankreich:Des Präsidenten zweifelhafte Freunde

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Ein U-Boot-Geschäft mit Pakistan, ein Terroranschlag mit 14 Toten, Koffer voller Schwarzgeld, eine gesprächige jugoslawische Prinzessin - und Nicolas Sarkozy mittendrin: Das sind die Zutaten einer explosiven Affäre, die dem französischen Staatschef im Präsidentschaftswahlkampf gefährlich werden könnte. Die Opposition spricht bereits von einem der schlimmsten Skandale der Republik.

Stefan Ulrich

Ein U-Boot-Geschäft mit Pakistan, ein Terroranschlag mit 14 Toten, Koffer voller Schwarzgeld, eine gesprächige jugoslawische Prinzessin und jede Menge Verdächtige bis hinauf ins Umfeld des französischen Staatschefs: Diese Ingredienzen bilden einen explosiven Cocktail, der Nicolas Sarkozy im Präsidentschaftswahlkampf um die Ohren fliegen könnte. "Das ist sehr heiß", zitiert die Pariser Presse einen Vertrauten Sarkozys. Die Opposition spricht von einem der schlimmsten Skandale der Republik und verlangt von der Justiz, bei der Aufklärung "bis zum Ende" zu gehen.

Nicolas Bazire (links) gemeinsam mit Edouard  Balladur: ein Bild aus dem Jahr 1995. (Foto: Reuters)

Der Wunsch könnte vielleicht in Erfüllung gehen. Denn die Ermittlungen werden von einem hartnäckigen, auf Korruption spezialisierten Untersuchungsrichter geführt. Renaud Van Ruymbeke hat in den vergangenen Tagen mehrfach zugeschlagen. Vor einer Woche leitete er gegen einen mutmaßlichen Mittelsmann bei dem U-Boot-Deal ein Ermittlungsverfahren ein. Diesen Mittwoch eröffnete er ein weiteres Verfahren gegen Thierry Gaubert, einen politischen Weggefährten Sarkozys. Zudem ließ er, ebenfalls am Mittwoch, Nicolas Bazire festnehmen, einen Vertrauten und Trauzeugen des Präsidenten.

Um die komplexe Affäre namens "Karachigate" zu verstehen, hält man sich am besten an die Chronologie. 1994 schlossen Frankreich und Pakistan einen Vertrag über die Lieferung von drei U-Booten für 825 Millionen Euro. Französischer Regierungschef war seinerzeit der Gaullist Edouard Balladur. Um das Waffengeschäft zu schmieren, zahlte Paris an Mittelsmänner 83 Millionen Euro. Solche Kommissionen waren damals erlaubt. Balladur kandidierte 1995 bei der Wahl zum Staatspräsidenten. Gewählt wurde Jacques Chirac, sein gaullistischer Konkurrent. Kaum im Amt, ließ Chirac alle Waffengeschäfte überprüfen und Schmiergeldzahlungen stoppen.

Am 8. Mai 2002 explodierte in der pakistanischen Hafenstadt Karachi eine Bombe. 14 Menschen starben, darunter elf französische Mitarbeiter der Marinewerft DCN. Die Ermittler gingen von einem islamistischen Anschlag aus. Sieben Jahre später begann die Justiz in Paris, einer anderen Fährte zu folgen. Danach könnte der Anschlag aus Rache dafür begangen worden sein, dass die Franzosen keine Kommission mehr zahlten.

Der Fall nimmt noch eine weitere Wendung. Van Ruymbeke argwöhnt, dass bei dem U-Boot-Geschäft "Retro-Kommissionen" gezahlt worden seien. Das heißt: Ein Teil des Schmiergeldes könnte zurückgeflossen sein, um Balladurs Kasse für den Präsidentschaftswahlkampf zu füllen. Tatsächlich wurden damals auf dessen Konten ungefähr 15 Millionen Francs in bar ohne nähere Angaben der Herkunft eingezahlt. Balladur bestreitet, dass es sich um Retro-Kommissionen handelte, die schon damals verboten waren. Damit gab Van Ruymbeke sich jedoch nicht zufrieden und sammelte weiter Beweise. Dabei folgte er der Devise: Cherchez la femme. Anfang des Monats vernahm er die Prinzessin Hélène von Jugoslawien. Sie ist die Ex-Frau von Sarkozy-Berater Gaubert. Informationen französischer Medien zufolge sagte die Prinzessin aus, ihr Mann sei 1994 und 1995 in die Schweiz gereist und mit Koffern voller Geld zurückgekehrt. Die Koffer seien Bazire gegeben worden, dem damaligen Kabinettschef Balladurs.

Die Frage ist nun, ob Sarkozy von den Geschäften wusste. Er war 1993 bis 1995 Haushaltsminister Balladurs. Außerdem diente er ihm im Präsidentschaftswahlkampf 1995 als Kampagnensprecher. Gaubert wiederum hatte Sarkozy 1983 dabei geholfen, Bürgermeister der Stadt Neuilly zu werden. Später arbeitete er für Sarkozy als Kommunikationsberater. Als Gaubert 1988 die Prinzessin Hélène heiratete, nahm Sarkozy als Bürgermeister die Trauung vor. Bazire wiederum war Trauzeuge, als Sarkozy im Jahr 2008 Carla Bruni heiratete. Er ist heute ein Spitzenmanager des Luxusgüterkonzerns LVMH und soll nach wie vor engen Kontakt zum Präsidenten halten. Nach Bazires Festnahme am Mittwoch leitete der Untersuchungsrichter am Donnerstag auch gegen ihn ein Ermittlungsverfahren ein.

Da Balladur, Gaubert und Bazire alle Vorwürfe bestreiten, wird Van Ruymbeke weiter recherchieren müssen. Einfach ist das nicht, auch weil ihm mehrfach Dokumente unter Berufung auf das Verteidigungsgeheimnis verweigert wurden. Für Sarkozy ist es dennoch heikel, wenn nun offiziell gegen zwei seiner Vertrauten ermittelt wird. Der sozialistische Ex-Premier Laurent Fabius sagte am Donnerstag: "Wenn man Verantwortung im Staat trägt, sollte man genau aufpassen, mit wem man Umgang pflegt." Nicolas Sarkozy hatte den Franzosen bei seiner Wahl eine "untadelige Republik" versprochen. Hierzu würde gehören, vergangene Korruptionsaffären auch wirklich aufzuklären.

© SZ vom 23.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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