AfD-Parteitag:Lucke beklagt "pseudo-revolutionäre" Umgangsformen

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Mitglieder der AfD in Erfurt. (Foto: dpa)

Alleiniger Parteichef wollte AfD-Politiker Bernd Lucke werden, seinen Einfluss massiv ausbauen. Doch auf dem Bundesparteitag der Anti-Euro-Partei buhten die Mitglieder ihn aus. Lucke rettet sich in die Rhetorik - und kritisiert in einer beklatschten Rede die Streitkultur in der Partei.

Von Jens Schneider, Erfurt

Eigentlich wollte sich Bernd Lucke an diesem Samstag zu einer Art Alleinherrscher der Anti-Euro-Partei AfD machen: Auf dem Parteitag in Erfurt sollten die Mitglieder einer neuen Satzung zustimmen und den Politiker, bisher einer von drei gleichberechtigten Sprechern der Partei, zum alleinigen Parteichef küren. Daraus wurde nichts - die Mitglieder strichen den umstrittenen Antrag nach einer heftigen Diskussion von der Tagesordnung.

Doch Lucke erholte sich schnell von der herben Niederlage. In einer häufig von Beifall unterbrochenen Rede blickte der Parteisprecher auf das Gründungsjahr zurück. Mit Blick auf interne Querelen appellierte Lucke an die Partei, bei allem Einsatz die guten Umgangsformen zu wahren. "Wie in einem revolutionären Getümmel wird nach allen Seiten kräftig ausgeteilt", beklagte Lucke den oft konfrontativen Stil in der AfD. "Wenn die Umgangsformen bei uns eines Tages weniger pseudo-revolutionär würden, würde ich mich sehr freuen."

Massiv beklagte er sich über die Berichterstattung der Medien über die AfD im zurückliegenden Jahr, sie hätten der AfD geschadet. Insbesondere die Bild-Zeitung habe nicht fair berichtet. "Die Pressefreiheit wird missbraucht, um Menschen den Mut zu nehmen, ihre eigene Meinung zu sagen", sagte Lucke. Er bezeichnete generell "Versuche als schlicht unanständig, die AfD in die Nähe zum Rechtsextremismus zu rücken". Er selbst sei im zurückliegenden Jahr wegen seiner Wortwahl "öffentlich an den Pranger gestellt worden, als hätte ich mich einer Straftat schuldig gemacht."

Lucke beklagt verzerrtes Bild in den Medien

Lucke beklagte, dass über ihn ein verzerrendes Bild gezeichnet würde, indem man ihn etwa zuletzt als sittenstrengen, fundamentalistischen Calvinisten beschrieben habe. "Ich gehöre einer sehr liberalen, weltoffenen evangelischen Kirche an", sagte er. Fundamentalismus liege ihm völlig fern. "Ich bin gewiss nicht sittenstrenger als jeder andere normale Bürger, der glücklich verheiratet ist."

Er nannte die AfD "eine Partei des gesunden Menschenverstandes", eine Formulierung, für die er besonders viel Applaus von den rund tausend Zuhörern bekam. In der AfD hätten "selbstverständlich Christen und Nichtchristen gleichermaßen ihren Platz." Die Partei lehne "ganz klar jede Form von Diskriminierung ab. Persönliche Eigenschaften sind Privatsache", sagte Lucke und betonte ausdrücklich, dass die AfD jede Zurücksetzung oder Diskriminierung Homosexueller oder Andersgläubiger ablehne.

Dann kündigte Lucke die "Abteilung Attacke" an, kritisierte die Bundesregierung in breitem Bogen von der Energiepolitik über die Rentenpolitik bis hin zur Infrastrukturpolitik. Beim Kern-Thema der AfD, der Kritik an der Euro-Rettung, beklagte Lucke, dass es "keine Abkehr von der verfehlten Politik gibt". Es müsse aber "Schluss mit dem Euro in den Südländern sein", es dürfe keine weiteren Rettungsprogramme für den Euro geben. Die AfD, sagte Lucke zum Europa-Bild der Partei, wolle "Europa und die Europäische Union als Ergänzung für Deutschland, nicht als Ersatz".

Parteispitze scheitert mit Reformplänen

Der Parteitag der AfD war mit einigen Querelen gestartet. Erst hatten technische Probleme und Streit um Formalien wie die Wahl der Versammlungsleitung zu stundenlangen Verzögerungen geführt. Und dann kam es eben zur Auseinandersetzung um die von Lucke beantragte Reform der Parteispitze.

Luckes Pläne sahen vor, dass anstelle der bisherigen Spitze aus drei gleichberechtigten Vorstandssprechern nur noch ein Parteivorsitzender die AfD führen soll. An der Seite des künftigen Parteichefs würde ein Vorstand mit erweiterten Vollmachten stehen: Die Parteispitze hätte dann mit Zweidrittelmehrheit Vorstandsmitglieder absetzen oder ganze Gebietsverbände der AfD auflösen können, wenn sie einen Verstoß gegen die Satzung sieht.

Lucke wollte so auf interne Querelen reagieren, die in den vergangenen Monaten mehrere Landesverbände nahezu lahmgelegt hatten. Bereits vor dem Parteitag hatte es Kritik an seinen Plänen gegeben. Doch dass sie so heftig ausfällt, damit hat er wohl kaum gerechnet: Mitglieder buhten und pfiffen Lucke aus, als er eine kurze Ansprache hielt. Autokratisch seien die Pläne und schwächten außerdem die innerparteiliche Demokratie, kritisierten sie. Viele bemängelten außerdem, dass nicht genügend Zeit gewesen sei, die erst vor etwa zehn Tagen verschickte neue Satzung zu prüfen.

Um 12 Uhr 35 war die dreistündige Geschäftsordnungsdebatte dann zu Ende. Der Versammlungsleiter sprach erschöpft von "gefühlt zehn Stunden".

Mit Material von dpa und afp.

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