AfD:Gelbe Karte

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Der Verfassungsschutz erklärt die AfD zum "Prüffall". Das ist deutlich weniger harmlos, als es zunächst klingt. Der Partei, die so oft Unfrieden im Land stiftet, könnten bald auch noch schärfere Maßnahmen seitens des Geheimdienstes drohen.

Von Ferdos Forudastan

Es ist eine Entscheidung, die erst mal stutzen lässt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD bislang nur zum "Prüffall" erklärt, es will sie noch nicht in Gänze beobachten. Das bringt man schwerlich mit dem Bild zusammen, das diese Partei abgibt: eine Partei, in der sich Rechtsextremisten und Rassisten tummeln, die gegen Menschen mit ausländischen Wurzeln oder Muslime hetzen, NS-Unrecht verharmlosen und diesen Staat und seine Institutionen verachten; eine Partei, in der nicht nur einfache Mitglieder, sondern auch Amts- und Mandatsträger die Werte der Verfassung gering schätzen; eine Partei, die in Teilen Schulter an Schulter mit Reichsbürgern, der Pegida oder Neonazis für nationalistisch-völkische Anliegen marschiert.

Einzelne, besonders radikale Parteigliederungen wird das BfV zwar als "Verdachtsfall" führen und damit unter Umständen auch nachrichtendienstliche Mittel einsetzen; im Fall der Gliederung "Der Flügel" ist das nicht nur eine ziemlich große Gruppe. Es sind sogar maßgebliche AfD-Funktionäre wie der Thüringer Landeschef Björn Höcke darunter. Die meisten AfD-Politiker und -Mitglieder werden vom Geheimdienst bis auf Weiteres allerdings nicht vergleichbar scharf ins Visier genommen, ihre Telefone darf er nicht abhören, ihre Mails nicht lesen.

Diese Entscheidung des BfV unter seinem neuen Präsidenten Thomas Haldenwang mag zunächst etwas befremdlich wirken. Aber es gibt dafür gute Gründe. So sind die rechtlichen Hürden für die Beobachtung einer Partei hoch - so hoch, dass diese Maßnahme vor Gericht leicht scheitern kann, wenn die Betroffenen dagegen klagen. Das würde die AfD sich garantiert nicht entgehen lassen, und es würde sie politisch noch weiter stärken, wenn die Richter ihr recht gäben. Genau das aber könnte passieren, solange der Verfassungsschutz nicht belastbare Anhaltspunkte dafür beibringt, dass die Partei als Ganzes extremistisch ist, heißt, ihre Bestrebungen sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten.

Ohne Zweifel gibt es eine Reihe von AfD-Mitgliedern, denen man genau das getrost vorwerfen kann. Und es gibt hochrangige AfD-Politiker, die damit überhaupt kein Problem haben, mehr noch, die sich zumindest klammheimlich darüber freuen. Aber die Zweifel daran, ob der Partei insgesamt diese Bestrebungen nachzuweisen sind oder ob sich dokumentieren ließe, dass ihre Spitze sie billigt, sind noch nicht vom Tisch. Und solange das so ist, tut der Verfassungsschutz gut daran, weiter zu prüfen, ob er die ganze Partei beobachten sollte. Das gilt umso mehr, als "Prüffall" deutlich weniger harmlos ist, als es klingt. Prüffall bedeutet: gelbe Karte. Prüffall bedeutet: Es muss nicht mehr viel passieren, bis der Verfassungsschutz vom Prüfen zum Beobachten kommt. Damit bedeutet "Prüffall" übrigens auch ein Signal an jene bürgerlichen Wähler, deren Abwanderung die Parteispitze um Alexander Gauland besonders fürchtet.

Ob der Verfassungsschutz die AfD nur zum Prüffall erklärt oder irgendwann später tatsächlich beobachtet, erspart den anderen Parteien und der Gesellschaft allerdings nicht, die wesentlich wichtigere Aufgabe im Umgang mit der AfD anzupacken: sich politisch mit dieser Partei auseinanderzusetzen, die jeden Tag sehr viel dafür tut, Unfrieden im Land zu stiften.

© SZ vom 16.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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