Äthiopien:Keine Aussicht auf Waffenstillstand

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Die Kämpfe in Äthiopien dauern an, die Versorgung in der Krisen- Region Tigray wird schwieriger. Ein Berater des künftigen US-Präsidenten Joe Biden ruft die Konfliktparteien auf, humanitäre Hilfe zuzulassen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

In Äthiopien gibt es auch zwei Wochen nach Ausbruch des bewaffneten Konflikts in der nördlichen Region Tigray keine Aussicht auf einen Waffenstillstand. Äthiopische Truppen versuchen weiter, auf Mekele vorzurücken, die Hauptstadt der Region. Sie eroberten einzelne kleinere Städte, stoßen aber auf heftigen Widerstand der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF). "Die TPLF und die äthiopischen Behörden sollten schnell Schritte unternehmen, um den Konflikt zu beenden, humanitäre Hilfe zuzulassen und Zivilisten zu beschützen", sagte Antony Blinken, ein Berater des künftigen US-Präsidenten Joe Biden.

Bei den Kämpfen sollen bisher mehrere Hundert Menschen ums Leben gekommen sein, etwa 30 000 sind in den benachbarten Sudan geflohen. Hunderte Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben die Region Tigray verlassen und berichten von einer zunehmend schwierigen Versorgungslage. "Wir werden eine Lösung finden", hatte Äthiopiens Außenminister Redwan Hussein am Montag versprochen. Bisher hat die Regierung aber alle Vermittlungsversuche abgelehnt. Am Mittwoch wurden 76 Haftbefehle gegen Generäle der Armee erlassen, denen Verrat vorgeworfen wird. Mehrere Hundert Soldaten der regulären Armee sollen zur TPLF übergelaufen sein. Tigray gehört seit dem Krieg mit Eritrea zwischen 1998 und 2000 zu den am stärksten militarisierten Regionen Äthiopiens.

Nach Sichtweise von Ministerpräsident Abiy Ahmed begann der Konflikt mit einem Angriff der TPLF auf einen Armeestützpunkt, bei dem Waffen erbeutet wurden. Damit sei eine rote Linie überschritten worden, er habe keine andere Wahl, als Recht und Ordnung wieder herzustellen.

Der Konflikt mit der Region Tigray begleitet Abiy seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren. Die Bevölkerung dort stellt zwar nur etwa sechs Prozent der 110 Millionen Äthiopier, war aber Jahrzehnte lang die dominante Gruppe in Politik und Wirtschaft. Unter Abiy hat Tigray massiv an Einfluss verloren, viele Angehörige der Volksgruppe wurden aus ihren Ämtern entfernt, einigen der Prozess wegen Korruption gemacht. Die Regionalwahlen im September wurden von Abiy wegen Corona verboten, als die Region dennoch an die Urne ging, strich die Zentralregierung Bundeszuschüsse. Der Konflikt eskalierte.

Die TPLF schoss am Wochenende Raketen auf die Hauptstadt des Nachbarlandes Eritrea und auf zwei Flughäfen in der Nachbarregion Amhara. Der Konflikt könnte auch Somalia destabilisieren, wo Äthiopien etwa 3000 Soldaten einer Friedenstruppe abgezogen hat und zum Einsatz gegen die TPLF abkommandierte. Deren Chef Debretsion Gebremichael räumte zwar den Verlust seines Heimatortes Shire ein, ansonsten hätten die Regierungstruppen aber kaum Fortschritte erzielen können.

Der Stabschef der Bundesarmee, Birhanu Jula, warf am Donnerstag WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus vor, er sei daran beteiligt, Waffen und diplomatische Unterstützung für die TPLF zu organisieren. "Er ist selbst Mitglied dieser Gruppe und selbst ein Krimineller", sagte Jula, Belege brachte er nicht.

Die Regierung veröffentlichte am Donnerstag ein undatiertes Video von Ministerpräsident Abiy, in dem dieser zwar sagt, er sei sich sicher, "dass die Menschen in Tigray es leid sind, die Kugeln zu hören", ansonsten aber keine Zugeständnisse macht. Das Nobelkomitee, das Abiy 2019 den Friedensnobelpreis wegen dessen Friedensschluss mit Eritrea verliehen hatte, zeigte sich "zutiefst besorgt" wegen der Eskalation in Äthiopien.

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