Ägypten im Umbruch:Mubaraks Ex-Minister Mussa leitet Verfassungsausschuss

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Amr Mussa beim ersten Treffen des Verfassungsausschuss: Der ehemalige Außenminister soll die Leitung übernehmen. (Foto: AFP)

Unter Ägyptens Autokrat Hosni Mubarak war er Außenminister - jetzt soll Amr Mussa den Ausschuss zur Änderung der Verfassung des Landes leiten. Die Armee geht gewaltsam gegen islamistische Rebellen auf der Sinai-Halbinsel vor, die Angst vor einem Wiederaufflammen des blutigen Konflikts zwischen Staat und Islamisten wächst.

Einer der prominentesten Vertreter der Regierung des gestürzten ägyptischen Autokraten Hosni Mubarak leitet den Ausschuss zur Änderung der Verfassung des Landes. 30 der 50 Mitglieder des Gremiums wählten Ex-Außenminister Amr Mussa am Sonntag auf ihrer ersten Sitzung zu ihrem Vorsitzenden.

Ein erster Entwurf für eine neue Verfassung sieht vor, Zusätze wieder zu streichen, die der vom Militär entmachtete Präsident Mohammed Mursi hinzugefügt hatte. Diese waren als zu islamistisch kritisiert werden. Außerdem sollen Passagen gekippt werden, die eine rasche Rückkehr von ehemaligen Mitgliedern der Mubarak-Regierung in öffentliche Ämter verhindern. Zudem soll das Wahlsystem wieder eingeführt werden, das mit zu Mubaraks Machterhalt über drei Jahrzehnte hinweg beitrug.

Mussa war zehn Jahre lang unter dem Anfang 2011 durch einen Volksaufstand gestürzten Mubarak Außenminister. Anschließend leitete er die Arabische Liga. Populär wurde er unter anderem durch seine Kritik an Israel. Im vergangenen Jahr trat er als säkularer Liberaler bei der Präsidentenwahl an, landete aber nur auf dem fünften Platz. Der Wahlsieg ging an den Islamisten Mursi, der aber unter anderem wegen der umstrittenen Verfassung große Teile der Bevölkerung gegen sich aufbrachte.

Nach Massenprotesten wurde er Anfang Juli vom Militär gestürzt. Die Armee und die Behörden gehen seitdem massiv gegen die islamistischen Muslimbrüder vor, die Mursi stützen. Die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung hat dem Verfassungsausschuss 60 Tage Zeit gegeben, Änderungen auszuarbeiten. Über die Verfassung soll dann die Bevölkerung abstimmen. Sie soll außerdem die Grundlage für Parlaments- und Präsidentenwahlen und eine Rückkehr zu einer Zivilregierung Anfang 2014 bilden. Im Verfassungsausschuss sitzen lediglich zwei Islamisten.

Ägyptische Armee beschießt islamistische Rebellen auf der Sinai-Halbinsel

Die ägyptische Armee hat am Sonntag erneut mutmaßliche Verstecke islamistischer Rebellen auf der Sinai-Halbinsel beschossen. Wie bereits am Samstag feuerten Kampfhubschrauber Raketen auf Häuser nahe des Grenzübergangs Rafah ab, wie Augenzeugen berichteten. Bei den Einsätzen am Samstag wurden nach Armeeangaben neun Extremisten getötet. Laut einem Armeesprecher handelt es sich um den "bisher größten Militäreinsatz".

Der Grenzübergang Rafah zum Gazastreifen war bereits am Samstag auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Polizei und Armee hatten mit Kampfhubschraubern und Panzerwagen mehrere mutmaßliche Verstecke von Islamisten angegriffen, darunter in der Ortschaft Scheich Suwajid. Am Sonntag teilte die Armee mit, dabei seien neun "radikale Islamisten" getötet und 15 Verdächtige festgenommen worden.

Armeesprecher Ahmed Ali teilte am Sonntag auf seiner Facebook-Seite mit, es handele sich um den "bisher größten Militäreinsatz, um den Sinai vom Terrorismus zu befreien". Die Armee habe mehrere Dörfer eingekesselt, in die sich Aufständische geflüchtet hätten. Die Aktion werde mehrere Tage dauern.

Bereits am Dienstag hatte die Armee bei Luftangriffen eigenen Angaben zufolge auf dem Sinai acht Islamisten getötet. In dem an Israel grenzenden Wüstengebiet hat die Gewalt zuletzt deutlich zugenommen. Das Verhältnis der Beduinen, die auf der Halbinsel die Mehrheit der rund 600.000 Einwohner stellen, zur Zentralregierung in Kairo ist seit langem gespannt. Sie werfen ihr wirtschaftliche Vernachlässigung vor. Unter dem Einfluss ausländischer Gruppen hat sich ein Teil der Beduinen radikalisiert.

Dschihadischen-Gruppe bekennt sich zu Autobombenanschlag

Die Gewalt nährt die Furcht vor einem Wiederaufflammen des blutigen Konflikts zwischen Islamisten und dem Staat in den 90er Jahren. Bei dem bisher schwersten Angriff wurden am 19. August auf dem Sinai 25 Polizisten getötet. Nach Angaben der Armee starben in den vergangenen zwei Monaten insgesamt 58 Polizisten, 21 Soldaten und 17 Zivilisten in dem Konflikt. Sie selbst habe rund hundert Islamisten getötet.

Ein Vertreter der Sicherheitskräfte teilte derweil am Samstag mit, Spezialisten der Armee hätten an der Bahnstrecke zwischen den Städten Suez und Ismailia einen Sprengsatz entschärft. Demnach sollte die Bombe offenbar den Zug um 06.00 Uhr morgens treffen, doch hätten Dorfbewohner sie rechtzeitig entdeckt.

Am Donnerstag war Innenminister Mohammed Ibrahim in der Hauptstadt Kairo einem Autobombenanschlag entgangen. Er hatte daraufhin vor einer "Welle des Terrorismus" gewarnt. Zu dem Anschlag bekannte sich am Sonntag eine Dschihadisten-Gruppe namens Ansar Beit al-Makdis im Internet. Die Gruppe von der Sinai-Halbinsel, die sich bereits mehrfach zu Angriffen auf Israel bekannte, kündigte weitere Angriffe auf den "Tyrannen" Ibrahim und Armeechef Abdel Fattah al-Sisi an.

Ibrahim ist eine treibende Kraft beim gewaltsamen Vorgehen gegen die Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi. Er spielte insbesondere eine zentrale Rolle bei der Räumung zweier Protestlager der islamistischen Muslimbrüder in Kairo, bei der am 14. August Hunderte Menschen getötet wurden.

Das Bündnis, das die Wiedereinsetzung Mursis fordert, hatte den Anschlag auf den Innenminister verurteilt und seinen Aufruf zu friedlichen Protesten erneuert. Experten warnen, dass die gewaltsame Unterdrückung der islamistischen Opposition zur Radikalisierung der Bewegung führen könnte.

© Süddeutsche.de/AFP/Reuters/sks - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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