Abschiebungen:Sanfte Konsequenz

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Im Jahr 2022 sind 77 Menschen direkt aus Deutschland in den Irak abgeschoben worden. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Zwanglos gut: Der Landkreis Oberhavel legt abgelehnten Asylbewerbern deutlich die freiwillige Ausreise nahe - mit Erfolg.

Von Jens Schneider, Berlin

Wenn man aus Berlin kommt, liegt der Landkreis Oberhavel, wie sie dort sagen, "direkt drüber". Mit 203 000 Einwohnern grenzt er im Norden an die Bundeshauptstadt und zieht sich nordwärts quer durch Brandenburg bis hinauf nach Mecklenburg-Vorpommern. Wie die meisten deutschen Landkreise hat auch Oberhavel in den vergangenen Monaten viele Flüchtlinge aufgenommen. 1265 Asylbewerber leben hier, die meisten in einer Gemeinschaftsunterkunft in Hennigsdorf bei Berlin, mehr als 200 sind in Wohnungen untergebracht. "Menschen, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen, sind bei uns herzlich willkommen", sagt Landrat Ludger Weskamp. "Wir geben uns sehr viel Mühe, diese Menschen so gut wie möglich unterzubringen."

Markant ist zugleich eine Zahl, die der Landrat "die andere Seite der Medaille" nennt: In den vergangenen Monaten haben viele Albaner, Kosovaren, Mazedonier oder Serben von Oberhavel aus Deutschland freiwillig verlassen, weil sie keinen Anspruch auf Asyl hatten und ihnen erklärt wurde, dass sie sonst abgeschoben würden. Abschiebungen unter Zwang waren eine Seltenheit.

In diesem Jahr waren von 250 ausreisepflichtigen Ausländern 40 untergetaucht

Während bundesweit oft über fehlende Konsequenz gegenüber abgelehnten Asylbewerbern ohne Abschiebeschutz geklagt wird, verfolgen manche Kreise und Gemeinden längst einen anderen Kurs, so zum Beispiel der Landkreis Oberhavel. Nach Angaben des Kreises verließen aus Oberhavel in diesem Jahr bereits 210 ausreisepflichtige Ausländer wieder das Land - aus Albanien, Kosovo, Mazedonien, Serbien oder Russland. Die mit Abstand meisten von ihnen, 190, gingen freiwillig im Rahmen einer sogenannten Rückführung, also bevor ein Abschiebungsverfahren eingeleitet wurde. 15 wurden unter Zwang abgeschoben, fünf wurden nach den Regelungen der sogenannten Dublin-Vereinbarungen ausgewiesen. In 40 Fällen habe die Ausreise nicht durchgesetzt werden können, etwa weil man die Betroffenen nicht mehr antraf.

"Wir haben relativ wenig Abschiebungen und eine relativ hohe Zahl von freiwilligen Ausreisen", sagt Landrat Weskamp. "Offensichtlich gelingt es uns relativ gut, dass die Menschen unseren Landkreis verlassen, bevor es in ein formales Abschiebungsverfahren geht." Noch 2014 gab es lediglich sieben freiwillige Ausreisen, dazu 25 unter Zwang. Aber im Grunde verfolge Oberhavel seit Langem eine "klare Linie", sagt Weskamp. Zu der gehöre menschliche Betreuung der Flüchtlinge ebenso wie die Konsequenz bei der Ausreisepflicht. Geprägt hat diesen Kurs der langjährige Landrat und heutige Brandenburger Innenminister Karl-Heinz Schröter, ein Sozialdemokrat wie Weskamp. Schröters Ministerium hat jetzt erklärt, dass man sich von den neuen Asylgesetzen nicht viel Änderung erhoffe, das Land setze bei der Rückkehr von ausreisepflichtigen Ausländern weiter auf Freiwilligkeit.

Weskamp sagt, dass die Hilfe für Flüchtlinge selbstverständlich sei, dass es aber genauso selbstverständlich sein müsse, "dass wir konsequent zu einer Rückführung kommen, wenn ein rechtsstaatliches Verfahren abgeschlossen ist, und die Menschen keinen Anspruch haben, in Deutschland zu bleiben". Das versuche er auch seinen Mitarbeitern deutlich zu machen, die das den Betroffenen deutlich vermittelten: "Vielleicht ist das etwas, das wir insgesamt nach außen auch sehr stark repräsentieren."

Mit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen habe man in Oberhavel nicht nur den Personalbereich in der Betreuung der Asylbewerber erhöht, "sondern auch die Kollegen in der Ausländerbehörde verstärkt, sodass da auch die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung stehen". Drei Mitarbeiter seien mit den Rückführungen befasst. Weskamp sagt, dass er es stets wissen wolle, wenn eine Rückführung nicht umgesetzt werden könne. Er erklärt sich die hohe Zahl "freiwilliger Ausreisen" damit, dass der Kreis deutlich mache, wie schnell und kurzfristig auch Abschiebungen durchgezogen würden.

Dabei vertritt Weskamp seine Position zurückhaltend, er präsentiert sich nicht offensiv als Mann mit harter Linie. Seine Auskünfte gibt er lediglich auf Nachfrage. "Wir folgen nur dem vorgeschriebenen Verfahren", sagt Weskamp. Aber als Botschaft gilt sein Verständnis von Konsequenz, wenn er etwa Hunderten Bürgern bei einer Infoveranstaltung zu einer Flüchtlingsunterkunft begegnet. Es gebe durchaus heftige Diskussionen, sagt Weskamp, "und wir lassen keine Frage offen". Dabei werbe er einerseits um Verständnis für Flüchtlinge in Not, spreche aber auch über die Konsequenz. "Ich glaube, das Paket zusammen macht es aus."

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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